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Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege

Titel: Das Obama-Syndrom - leere Versprechungen, Krisen und Kriege
Autoren: Tariq Ali
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überlegen. Warum fragten sich diejenigen, die diese Sprüche glaubten, nie, wie all das kam? Tatsächlich brauchte man den Staat, um den Übergang zu schaffen. Staatliche Interventionen zur Stützung des Marktes waren okay – solange sie den Reichen zugutekamen. Da ohnehin keine Partei eine Alternative dazu anbot, vertrauten die Amerikaner und Europäer ihren Politikern und folgten ihnen blind ins Desaster.
    Die Politiker der extremen Mitte waren vom Triumph des Kapitalismus noch ganz berauscht, als 2008 völlig unerwartet die Krise ausbrach. Die meisten Bürger wurden ebenso unvorbereitet getroffen; sie hatten den Berichten der willfährigen Medien geglaubt, wonach alles zum Besten stehe, und sich von billigen Krediten verlocken lassen. Unsere Spitzenpolitiker, flüsterten sie den Menschen ein, hätten zwar kein besonderes Charisma, wüssten aber, wie man das System steuert. Man solle sich nur auf sie verlassen. Heute bezahlen wir den Preis für diese institutionalisierte Apathie. (Fairerweise muss man den Iren und Franzosen zugestehen, dass sie schon in der Diskussion um die im Kern neoliberale EU -Verfassung eine Katastrophe heranziehen sahen und sich weigerten, sie zu verabschieden. Sie wurden ignoriert.)
    Dabei war es für viele Ökonomen offensichtlich, dass Wall Street die Spekulationsblase gezielt geplant und Milliarden für Werbung ausgegeben hatte, um die Menschen dazu zu bringen, wie verrückt zu konsumieren und das Ganze mit zusätzlichen Schulden zu finanzieren. Die so erzeugte Blase musste natürlich irgendwann platzen, und als sie es schließlich tat, wankte das System, bis der Staat die Banken vor dem totalen Zusammenbruch rettete. Sozialismus für die Reichen. Als die Krise Europa erreichte, spülte die EU ihre Regeln für den gemeinsamen Markt und für Wettbewerb die Toilette hinunter und organisierte eine Rettungsaktion. Das Hohelied der freien Marktwirtschaft hatte man für kurze Zeit mal vergessen.
    Einige Nationen brachen zusammen (Island, Irland, Grie chenland), andere (Portugal, Spanien, Italien) taumelten am Abgrund. Da griff die EU ein und verlangte harte Sparmaßnahmen – um das deutsche, französische und britische Bankensystem zu retten. Die Spannung zwischen privaten Profiten und sozialisierten Verlusten ließ sich nicht länger verbergen. Die griechische Elite wurde zu völliger Unterwerfung gezwungen, die dem Volk verschriebenen Sparmaßnahmen führten das Land an den Rand der Revolte. Griechenland war das schwächste Glied in der Kette des europäischen Kapitalismus, dort haben die Wellen des krisengeschüttelten Kapitalismus die Demokratie längst weggespült. Generalstreiks und kreative Proteste machten der extremen Mitte das Leben sehr schwer. Beim Betrachten aktueller Bilder aus Griechenland, wo die Polizei nur mit Gewalt verhinderte, dass Zigtausende Bürger das Parlament stürmten, beschleicht einen das Gefühl, dass die politische Elite des Landes nicht mehr lange so weitermachen kann wie bisher.
    Zu Beginn dieses Jahres sprach ich in Thessaloniki auf einem Literaturfestival, doch das Hauptinteresse des Publikums galt politischen und wirtschaftlichen, nicht literarischen Fragen. Gab es eine Alternative? Was sollte man tun? Ich antwortete: Hört sofort auf, eure Schulden zu bedienen. Verlasst die Eurozone, führt die Drachme wieder ein, organisiert eine wirtschaftliche und soziale Planung auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, bezieht das Volk in die Diskussion ein, wie das Land ohne zu große soziale Verwerfungen zu retten sei. Man muss den Reichen das Geld (über Sondersteuern) wieder abpressen, das sie sich im letzten Jahrzehnt ergaunert haben. Doch für die visionslosen Politiker im Herzen des Systems kommen solche Maßnahmen überhaupt nicht in Frage – schließlich werden die meisten von ihnen genau von diesen Leuten finanziert.
    Das tief im Schuldensumpf steckende Amerika – Obama setzte im Grunde die Politik seines Vorgängers nahtlos fort – erlebte, wie sich in allen größeren Städten mit bewundernswerter Energie Protest erhob. Viel zu lang hatte das politische Amerika auf einen Frühling gewartet. Die eiskalten Winter wichen auch unter Clinton und Obama nicht, zwei Pappfiguren, die einer ausgehöhlten Demokratie vorstanden, deren Entscheidungen vom Großkapital diktiert wurden. Der allseits geschmähte amerikanische Staat war hauptsächlich dafür da, den finanziellen Status quo zu sichern und die Kriege des 21. Jahrhunderts zu finanzieren.
    Doch nun
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