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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium
Autoren: Mattias Gerwald
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(vermutlich eine Sammlung von Sprüchen Jesu) – basieren die Evangelien des Matthäus und des Lukas. Man nennt daher diese drei Lebensberichte die synoptischen Evangelien, da sie in Bezug auf Inhalt und Aufbau einander ähnlich sind. Das Johannes-Evangelium weist den synoptischen Evangelien gegenüber zahlreiche Abweichungen auf, die belegen, dass der Autor seinen Text ziemlich unbeeinflusst von den drei älteren Evangelien verfasst hat.
    Früher war man allgemein der Ansicht, die Evangelien seien erst recht spät entstanden. Für die Entstehung des Markus-Evangeliums nahm man die Zeit von etwa 70 n. Chr. an, die Texte von Matthäus und Lukas wurden zwischen 80 und 100 n. Chr. datiert. Die Abfassung des Johannes-Evangeliums wurde noch später angesetzt: Man nahm an, dass Johannes seinen Text zwischen 100 und 150 n. Chr. geschrieben hat und stark vom mystischen griechischen Denken beeinflusst war. Infolge der Entdeckung der Schriftrollen von Qumran am Toten Meer hat man herausgefunden, dass vieles, was bei Johannes griechisch wirkt, tatsächlich zeitgenössischer jüdischer Glaubensinhalt ist. Das Johannes-Evangelium kann also durchaus viel früher geschrieben worden sein. Der deutsche Wissenschaftler Carsten Peter Thiede hat vor wenigen Jahren mit der These, das Matthäus-Evangelium sei unmittelbar nach dem Tod Jesu verfasst worden, Aufsehen erregt, aber keine allgemeine Anerkennung gefunden.
    Unumstritten ist aber, dass sich unter den Schriften von Qumran, die um 68 n. Chr. in Höhlen am Toten Meer versteckt worden sind, Textfragmente des Markus-Evangeliums sowie des 1. Briefs an Timotheus und des Jakobusbriefs befanden (vgl. Läpple, 1999). Will man nicht davon ausgehen, dass diese Texte bereits im Jahr ihrer Niederschrift allgemein verbreitet waren, kommt man dennoch nicht umhin anzuerkennen, dass die Evangelien kurz nach Jesu Tod und nicht erst längere Zeit danach geschrieben worden sein müssen.

 
    Kanonische und apokryphe Evangelien
     
    Je stärker sich das Christentum ausbreitete, desto mehr nahmen die Bedeutung und Verbreitung der Evangelien zu. Das Christentum hatte sich bereits zu Paulus’ Lebzeiten in zwei Richtungen gespalten – die Judenchristen auf der einen Seite, die weiterhin Juden bleiben wollten, und das paulinische Christentum auf der anderen, das Beschneidung und Speisevorschriften aufgab und seinen Siegeszug in der römischen und griechischen Welt antrat. Es gab viele Gruppierungen, die jeweils ganz unterschiedliche Vorstellungen über Jesus hatten. So sah man je nach Gruppenzugehörigkeit in ihm beispielsweise nur einen Propheten, den König Israels, ein göttliches Wesen, Gott selbst oder gar nur eine Illusion, einen reinen Geist. Dementsprechend modifizierten die vom Hauptstrom des Christentums abweichenden Nebenströmungen die bestehenden Evangelien oder schrieben neue. Schließlich, nach rund 300 Jahren, gab es sehr viele einander widersprechende Evangelientexte. Und jedes Evangelium wurde als das »wahre« ausgegeben, das von einem leibhaftigen Zeitzeugen geschrieben worden war. Manche frühen Christen, etwa Markion, gingen in ihrem Judenhass sogar so weit, sämtliche jüdischen Bezüge aus der Lebensgeschichte Jesu zu streichen.
    Bereits früh sammelte die Kirche die von ihr als echt erachteten Schriften und verdammte, teils in drastischen Worten, die als unecht angesehenen, die so genannten apokryphen Evangelien. Eine erste Aufstellung kanonischer Texte, das »Muratorische Fragment«, stammt aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts und stimmt mit dem Inhalt unseres heutigen Neuen Testaments fast überein – es fehlen nur fünf Briefe, dagegen enthält es zwei heute als apokryph geltende Schriften, die »Petrus-Apokalypse« und die »Sprüche Salomos«. In der Ostkirche wurde der Kanon als das verbindliche Verzeichnis der anerkannten Schriften durch den 39. Osterbrief des Bischofs von Alexandria, Athanasios, im Jahr 367 festgelegt; die Westkirche setzte den Kanon auf zwei Konzilen, dem von Hippo Regius 393 und dem von Karthago 397, fest. Dieser Kanon wurde 1646 auf dem Konzil von Trient bestätigt.
    Seither gelten die nicht in den Kanon aufgenommenen Evangelien und Apostelbriefe als nicht authentisch. Darunter befinden sich u. a. folgende: Evangelium des Bartholomäus, Johannes-Apokryphon, Sophia Jesu Christi, Evangelium der Wahrheit, Evangelium nach Philippus, Evangelium der Eva, Evangelium des Judas Iskariot, das Lebendige Evangelium oder das Evangelium der Vollendung. Die
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