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Das neue Evangelium

Das neue Evangelium

Titel: Das neue Evangelium
Autoren: Mattias Gerwald
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von der Speisung der Vielen (Sure 5, 114), weicht allerdings völlig von der biblischen Tradition ab, wenn es um Jesu Kreuzigung geht.
    Denn nach islamischem Verständnis ist kein muslimischer Prophet – dazu gehören unter anderem Adam, Noah, Abraham, Jakob, Josef, Moses, Saul, David, Salomo, Hiob, Hesekiel, Jonas, Johannes der Täufer und Jesus – je einer Sünde fähig gewesen. Die Kreuzigung stellt aber die Todesstrafe für einen Kriminellen dar. Im Koran wird Jesus daher nicht hingerichtet, denn Allah verspricht ihm (Sure 3, 55): »O Jesus, Ich will dich [eines natürlichen Todes] sterben lassen und dich zu Mir erheben, und dich reinigen (von den Anwürfen) derer, die ungläubig sind, und will die, die dir folgen, über jene setzen, die ungläubig sind, bis zum Tage der Auferstehung: dann ist zu Mir eure Wiederkehr, und Ich will richten zwischen euch über das, worin ihr un-eins seid.« Der Koran sagt, die Juden brüsteten sich damit, Jesus gekreuzigt zu haben, aber: »Und wegen ihrer Rede: ›Wir haben den Messias, Jesus, den Sohn der Maria, den Gesandten Allahs, getötet‹; während sie ihn doch weder erschlugen noch den Kreuzestod erleiden ließen, sondern er erschien ihnen nur gleich (einem Gekreuzigten); und jene, die in dieser Sache uneins sind, sind wahrlich im Zweifel darüber; sie haben keine (bestimmte) Kunde davon, sondern folgen bloß einer Vermutung; und sie haben darüber keine Gewissheit. Vielmehr hat ihm Allah einen Ehrenplatz bei Sich eingeräumt, und Allah ist allmächtig, allweise. Es ist keiner unter dem Volk der Schrift, der nicht vor seinem Tod daran glauben wird; und am Tage der Auferstehung wird er (Jesus) ein Zeuge wider sie sein« (Sure 4,157-159).
    Jesus wurde also nicht gekreuzigt, sondern gleich zu Gott erhoben. Trotzdem ist er nicht Gottes Sohn. Die christliche Dreifaltigkeit gilt im Islam als Vielgötterei, und Jesus selbst wehrt sich im Koran gegen die Behauptung, er habe sich als leiblichen Sohn des allmächtigen Gottes ausgegeben: »O Volk der Schrift, übertreibt nicht in eurem Glauben und saget von Allah nichts als die Wahrheit. Der Messias, Jesus, Sohn der Maria, war nur ein Gesandter Allahs und eine frohe Botschaft von Ihm, die Er niedersandte zu Maria, und eine Gnade von Ihm. Glaubet also an Allah und Seine Gesandten, und saget nicht: ›Drei.‹ Lasset ab – das ist besser für euch. Allah ist nur ein Einiger Gott. Fern ist es von Seiner Heiligkeit, dass Er einen Sohn haben sollte. Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden ist; und Allah genügt als Beschützer« (Sure 4, 171).
    Der islamische Jesus ist also der Messias und ein großer Prophet. Er ist es sogar, der am jüngsten Tag die Verstorbenen richten wird, aber er ist ganz und gar Mensch, kein göttliches Wesen: »Und (gedenke der Zeit) da Jesus, Sohn der Maria, sprach: ›O ihr Kinder Israels, ich bin Allahs Gesandter an euch, Erfüller dessen, was von der Thora vor mir ist, und Bringer der frohen Botschaft von einem Gesandten, der nach mir kommen wird. Sein Name wird Ahmad sein.‹« (Sure 61, 6).

 
    Das Evangelium des Barnabas
     
    Die Kirche von Alexandria kannte ein Barnabas-Evangelium, das sie für echt befand. Die Schrift soll angeblich sogar mehrmals von dem Kirchenvater Irenäus (130-200), dem Bischof von Lyon, in seinen Werken genannt worden sein, was belege, dass sie zu dieser Zeit im Nahen Osten weit verbreitet war – so die Verfechter der Echtheit des Barnabas-Evangeliums. Diese Irenäus-Stellen aber sind nirgendwo nachweisbar, niemand kennt sie. Das Barnabas-Evangelium soll schließlich auf dem Konzil von Nizäa als apokryph eingestuft und verdammt worden sein, behaupten diejenigen, die an seine Echtheit glauben.
    Einige Muslime, die von der Echtheit des Evangeliums überzeugt sind, überliefern seine Entdeckungsgeschichte so, als habe man bei der Auffindung des Barnabas-Grabes im 5. Jahrhundert in den Händen des Heiligen das von ihm selbst verfasste Evangelium gefunden, und nicht etwa eine Abschrift des Matthäus-Evangeliums. Das Manuskript sei dann in den Giftschränken des Vatikans verschwunden. Es tauchte dann angeblich erst wieder auf, als Fra Marino, ein Freund von Papst Sixtus (1585-90), es in dessen Bibliothek entdeckt habe.
    Zwar gab es definitiv ein apokryphes Barnabas-Evangelium, doch ist uns davon keine einzige Zeile erhalten geblieben. Dutzende Erwähnungen finden sich in den Schriften der frühen Kirche, doch wird an keiner Stelle daraus zitiert. Insofern ist die Annahme, dass
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