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Das neue Buch Genesis

Das neue Buch Genesis

Titel: Das neue Buch Genesis
Autoren: Bernard Beckett
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versteckt hätten?
    J Möglich wäre es. Das ist alles, was ich damit sagen wollte. Bist du bereit? Dann leg mal los. Ich konzentriere mich so lange auf deinen Hinterkopf.
    A Warte noch einen Augenblick.
    J Du musst es jetzt tun.
    A Ich will nur sehen, womit ich es zu tun habe.
    J Ich sag dir Bescheid, wenn ich etwas Ungewöhnliches sehe.
    A Nur noch eine Sekunde.
    Adam starrte gebannt auf den Bildschirm. Das verstieß gegen die Vorschrift. Der zuständige Schütze musste den Wachturm verlassen, ehe das Zielobjekt identifiziert werden konnte. Sobald der Soldat sah, womit er es zu tun hatte, musste ihm bewusst sein, dass eine Waffe auf seinen Hinterkopf gerichtet war. Eine äußerst sinnvolle Regelung. Ein Soldat konnte noch so gut ausgebildet sein, es bestand immer die Möglichkeit, dass er zögerte, wenn er ein hilfloses Opfer erschießen sollte. Und in einer Zeit der Seuchen durfte der Staat kein Risiko eingehen.
    J (während er zu seiner Waffe greift) Du weißt, wie meine Anweisungen lauten.
    A O Gott, sieh doch nur. Es ist ein Mädchen. Nur ein kleines Mädchen. Wo zum Teufel kommt das her?
    Beide starrten auf den Bildschirm. Das Boot war wirklich winzig. Es war schwer zu glauben, dass es überhaupt so weit gekommen war. Adam sah ihr in die Augen. Zumindest sagte er das später vor Gericht aus. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie verständnislos auf den riesigen Metallzaun, der vor ihr aus dem Meer ragte. Das provisorische dreieckige Segel ihres kleinen Bootes hing in Fetzen herunter. Das Boot schaukelte gefährlich nahe an den Seeminen vorbei.
    J (mit zitternder Stimme) Mensch, geh jetzt endlich d a raus. Bitte. Sonst muss ich dich erschießen.
    A Joseph, es gibt d a etwas, das ich dir hätte sagen sollen.
    J Was denn?
    A Ich habe das noch nie zuvor getan.
    J Aber ich habe deine Akte gesehen.
    A Die habe ich gefälscht.
    J Wie denn?
    A Es ist besser, wenn du das nicht weißt.
    J N a schön, dann ist es heute eben dein erstes Mal. Keine Angst. Es ist gar nicht so schwer. Es ist genau wie beim Training. Sobald du das Ziel anvisiert hast, musst du nicht einmal hinschauen.
    A Ich glaube, ich kann das nicht.
    J Aber du hast keine Wahl.
    A Es ist doch nur ein Mädchen.
    J Ich werde dich erschießen, wenn es sein muss.
    A Lass mich lieber zusehen.
    J Wie meinst du das?
    A Mach du es. Und ich sehe dir dabei zu. Wenn ich dieses Mal zuschaue, kann ich es beim nächsten Mal bestimmt selbst machen. Ganz sicher. Komm schon, das ist immer noch leichter, als mich zu erschießen.
    Joseph gab ihm recht. Es war einfacher, eine Fremde zu töten, die schon halb tot und womöglich mit einem gefährlichen Virus infiziert war, als seinen Kollegen kaltblütig in diesem winzigen Raum zu erschießen. Es war die einzige Alternative. Adam wusste das. Vor Gericht sagte er später aus, er sei sich ganz sicher gewesen, dass Joseph zustimmen werde. Immer wieder betonten die Medien, wie kaltblütig und berechnend er gehandelt habe.
    PRÜFER: Ist das Ihre Meinung? Halten Sie die Tat auch für kaltblütig?
    Endlich eine Frage, die Anaximander vollständig beantworten konnte. Das war ihr Spezialgebiet.
    ANAXIMANDER: Für das, was als Nächstes geschah, gibt es zwei mögliche Interpretationen, obwohl Adam darauf beharrte, dass die Version, die er bei seiner Verhaftung zu Protokoll gab, die einzig wahre sei.
    Er saß im Wachturm und richtete seine Waffe den Vorschriften entsprechend auf seinen Kollegen. Er beobachtete, wie Joseph zur Laserabwehr ging und diese auf das Boot richtete. Er hatte noch nie gesehen, wie jemand erschossen wurde, und während ein Teil von ihm den Blick abwenden wollte, spürte er gleichzeitig eine grausame Faszination. Er ließ Joseph nicht aus den Augen und sah zu, wie dieser den Sicherheitscode eingab und die Laserwaffe lud. Dann warf Adam vorschriftsgemäß einen Blick auf den Bildschirm, um sicherzugehen, dass die Passagiere an Bord des Bootes keine unmittelbare Gefahr für seinen Kollegen darstellten. Und so kam es, dass er ihr noch einmal in die Augen sah, und dieses Mal konnte er nicht wegsehen. Sie war etw a sechzehn Jahre alt, nur ein Jahr jünger als er selbst. Ihr Gesicht war ausgemergelt nach drei Monaten auf See, sie war abgemagert und dem Tode nah.
    Adam zoomte auf ihr Gesicht. Das bestätigen die Aufzeichnungen. Er sah ihren Gesichtsausdruck: Verwirrt blickte sie auf den riesigen Zaun, den sie nur noch verschwommen wahrnahm. Das tödliche Ende ihrer langen Reise.
    Adam erklärte später, die Erkenntnis
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