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Das Nest

Titel: Das Nest
Autoren: Val McDermid
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Cordelia sie schon in sehr drastischer Weise erinnert hatte, war ihre Unterstützung von ihm ausgenutzt worden, als Kräfte außerhalb seines Machtbereichs ihn nicht weiterarbeiten ließen. Andererseits hatte er seinen Kopf schon einmal für sie hingehalten. Aber die Tatsache, daß man ausgerechnet ihn geschickt hatte, um den Leuten vom Clarion einen Schrecken einzujagen, zeigte wiederum auch, wem er letztlich verpflichtet war.
    Es gab nur eine Person, die Lindsay fragen konnte. Nur so war es möglich zu verhindern, daß eine der beiden Seiten sie aufspürte. Und falls ihm der Staub, den die Geschichte unweigerlich aufwirbeln würde, nicht die Courage zudeckte, würde er sicher nichts dagegen haben, Informationen weiterzuleiten, besonders, wenn auch für ihn etwas dabei heraussprang. Lindsay blätterte in ihrem Adreßbuch, bis sie die Stelle fand, an der sie Gavin Hammills Telefonnummer hingekritzelt hatte. Glücklicherweise befand sich der Apparat in dem Lokal in einer ruhigen Ecke, so daß sie relativ ungestört sprechen konnte.
    Sie hatte Glück. Der Fordhamer Reporter verbrachte den Abend zu Hause. Nach den üblichen Formalitäten erläuterte Lindsay den Grund ihres Anrufs. »Ich werde vorübergehend außer Landes sein«, sagte sie. »Aber ich brauche jemanden, der Simon Crabtree für mich beobachtet. Ich will nur wissen, was er so treibt, auch, wie es dem Rest der Familie geht. Wenn du irgendwas hörst, besonders, wenn jemandem etwas zustößt oder er für ein paar Tage verschwindet, kannst du mich über einen Kollegen in Köln erreichen. Sein Name ist Günter Binden.«
    Sie gab ihm sowohl Günters private Telefonnummer als auch die seines Büros und versprach erkleckliche Summen für alles Material, das er nach Deutschland liefern würde. »Sie sind wirklich sehr großzügig dort, Gavin«, fügte sie noch hinzu. »Und eine gute Informationsquelle vergessen die auch nicht so bald. Wenn alles gut geht, wird das sicher nicht dein letzter Auftrag für sie sein. Ach ja, und wenn wer fragen sollte, woher dein Interesse stammt, erwähn’ mich bitte nicht.«
    »Natürlich nicht, Lindsay. Danke, daß du an mich gedacht hast.«
    »Nicht der Rede wert. Wir hören voneinander.«
    Im darauffolgenden letzten Telefonat des Tages reservierte sie Fahrkarten für sich und den Bus für die Mitternachtsfähre nach Zeebrugge. Zug und Flugzeug wären bequemer gewesen, aber sie war im Ausland gern unabhängig und mobil.
    Sie wünschte, sie könnte Cordelia mitnehmen und das Ganze in eine Art gemeinsame Erholungsreise umwandeln. Aber sie wußte auch, daß es sich dabei um eine Illusion handelte, sogar wenn Cordelia bis Mitternacht in Dover sein wollte und konnte. Lindsay war klar, daß es sie beide noch viel Zeit und Energie kosten würde, bevor alle Wunden verheilt wären. Eine verrückte Jagd quer durch Europa samt den Komplikationen, die die Veröffentlichung dieser Story mit sich bringen mußte, war wohl kaum die richtige Basis für eine längerfristige Versöhnung. Außerdem hatte Lindsay keine Ahnung, wann sie wieder zurückkommen würde, und Cordelia konnte ihre Verpflichtungen nicht einfach sausen lassen.
    Um Viertel nach acht war sie zu Hause. In einer Dreiviertelstunde mußte sie aufbrechen. Die Klamotten, das sie vorhin in die Waschmaschine geworfen hatte, würden in einer halben Stunde trocken sein, und zehn Minuten sollten zum Packen reichen. Das hieß eine halbe Stunde, um Cordelia eine Erklärung für ihre Abwesenheit zu schreiben. Der Computer war zwar unpersönlich, aber schneller. Und jetzt kam es in erster Linie darauf an, die richtigen Worte zu finden.
    Sie begann mit der Mitteilung, wohin sie fuhr und weshalb. Das war der einfache Teil. Aber dann kam der Abschnitt, in dem ihr auch die jahrelange Arbeit mit Worten nichts nutzte.
    »Nach der Veröffentlichung muß ich kurzfristig untertauchen. Der Geheimdienst wird mich verklagen wollen, und ich halte es auch für sicherer, erst zurückzukommen, wenn Simon Crabtree keine Bedrohung mehr darstellt. Ich fahre für eine Zeitlang ins Ausland, aber ich weiß noch nicht, wo ich wohnen werde. Sobald alles etwas klarer ist, laß ich’s dich wissen. Vielleicht kannst du mich dann besuchen. Es tut mir leid – ich wollte jetzt wirklich bei dir sein. Ich liebe dich. Lindsay.«
    Beim Durchlesen verfinsterte sich ihr Gesicht. Sie war total unzufrieden mit dem Geschriebenen. Aber im Augenblick hatte sie keine Zeit mehr. Sie schaltete den Drucker ein und stand auf, um sich zu
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