Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Nest

Titel: Das Nest
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
die Sicherheitskräfte schilderte, explodierte er.
    »Mein Gott, Lindsay, warum druckt dein eigenes Blatt das nicht? Die Story ist Dynamit!«
    »Und genau aus dem Grund ziehen sie den Schwanz ein. Sie haben Angst vor den teuren Prozessen, die auf sie zukommen könnten – wo der Herausgeber doch Ende des Jahres mit dem Unternehmen zur Börse will und dort eine ausgeglichene Bilanz und einen guten Ruf vorzeigen muß. In Wirklichkeit sind sie natürlich auch viel zu feig für eine echte Auseinandersetzung mit dem Establishment. Wenn ich ihnen eine total aus den Fingern gesogene Geschichte über einen Fernsehstar anbiete, der eine homosexuelle Affäre hat, kümmern sie sich einen Dreck um die möglichen gerichtlichen Folgen. Aber das hier riecht zu sehr nach der Wahrheit. Und jetzt laß mich weitererzählen. Das beste kommt noch, ich versprech’s!«
    Günter hielt den Mund, bis Lindsay fertig war. Dann schwiegen beide. »Wieviel willst du dafür?«
    »Wenn ich heute morgen nicht meine Job an den Nagel gehängt hätte, könntest du’s umsonst haben. Aber ich muß ja von was leben, und die Chancen, in diesem Land jetzt etwas anderes zu finden, sind mager. Was würdest du zu fünftausend D-Mark sagen?« schlug Lindsay vor.
    »Hast du Fotos von diesem Crabtree? Und von Deborah Patterson?«
    »Von Deborah ja, und von Simon und auch von Rupert Crabtree kann ich welche besorgen. Meine Kontakte zu den Lokalzeitungen sind recht gut. Und mich kannst du auch ablichten. Na, Günter?«
    »Wie bald kann ich den Artikel sehen?«
    »Ich fax ihn dir noch heute nacht. Also, wie ist es?«
    »Viertausend. Höher geht’s nicht. Vergiß nicht, ich muß auch noch die Übersetzung bezahlen.«
    Lindsay schwieg unter der Vorgabe, überlegen zu müssen. »Okay«, stimmte sie zu. »Sagen wir viertausend. Ich leg’ den Artikel noch heute in das Faxgerät und bring’ die Bilder selber rüber.«
    »Du kommst hierher?«
    Das bestätigte Lindsay. »Darauf kannst du Gift nehmen. Ich möchte ganz weit weg sein, wenn hier die Hölle losgeht. Außerdem glaub’ ich’s nicht, bevor ich die erste druckfrische Ausgabe in meinen eigenen Händen halte.«
    »Also, wann kannst du da sein?«
    »Ich kann in der Nacht losfahren und morgen nachmittag bei dir sein. Reicht das?«
    Sie arrangierten die restlichen Einzelheiten, dann hängte Lindsay aufatmend ein. Zu Hause nahm sie den Stapel Papiere mit der Reportage, die sie sinnloserweise für Duncan verfaßt hatte und brach gleich wieder auf. Ohne zu kontrollieren, ob sie verfolgt wurde wandte sie sich Richtung U-Bahn. Es war schon sieben und die ärgste Drängelei vorüber. Bei der Station Chancery Lane stieg sie aus und steuerte auf das Clarion Gebäude zu. Ihre Vermutung, daß das Gerücht von ihrer Kündigung noch nicht die Runde gemacht hatte, wurde bestätigt: Unbehelligt spazierte sie ins Haus hinein und gelangte ebenso in den hektischen Fernschreibraum im dritten Stock. Nach einem Wort unter vier Augen mit dem Abteilungsleiter ließ er sie für den Gegenwert von ein paar Bier mit dem Faxgerät allein. Eine Stunde später verließ sie ihren ehemaligen Arbeitsplatz wieder und machte sich auf den Weg zurück nach Highbury. Als sie die Stufen aus dem U-Bahnhof hinauflief, wurde ihr plötzlich bewußt, daß sie den Anblick des leeren Hauses noch nicht ertragen konnte und ging langsam die Upper Street zum King’s Head Pub hinunter. Über einem Viertelliter der roten Hausmarke überdachte sie die gegenwärtige Situation von allen Seiten.
    Die Kettenreaktion, die sie in Gang gesetzt hatte, würde den Leuten hinter Simon Crabtree den Boden unter den Füßen wegziehen. Wie gern wäre sie eine Fliege an der Wand von Harriet Barbers Büro, wenn der Fall auf ihrem Schreibtisch landete. Das einzige Fragezeichen, das ihr jetzt noch einfiel, war, welche Seite ihn zuerst kriegen würde. Sie hielt die Sowjets für die wahrscheinlichere Antwort – trotz Glasnost. Und der britische Geheimdienst hatte ja allen Grund, sich einmal nicht die Hände schmutzig zu machen. Trotzdem wußte sie, daß sie auf der Hut sein mußte, bis Simon Crabtree mit Sicherheit ausgeschaltet war. Und das konnte Wochen dauern. Ein tödlicher Unfall zu bald nach ihrer Veröffentlichung dürfte selbst der skrupellosen Geheimdienstmafia nicht empfehlenswert erscheinen.
    Aber es gab noch ein Problem: Woher würde sie wissen, daß sie Crabtree erledigt hatten? Ihr erster Gedanke war, Jack Rigano um Hilfe zu bitten. Er schuldete ihr noch etwas. Wie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher