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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt
Autoren: Heinrich Hanf
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ihrer nächtlichen Pirsch. An Deck der ›Rosebud‹ wurden kurz darauf die Flutlichtstrahler ausgeschaltet und nur eine Art Minimalbeleuchtung durch einige Glühbirnen blieb bestehen. Die kühle Luft roch nach Seetang und Abenteuer. Die ›Rosebud‹ dümpelte in einer sanften Dünung. Unter ihrem breiten Heck hörte Telly gelegentlich das gedämpfte, fast vorsichtige Klatschen einer Welle.
    Ob es in dem kleinen Städtchen wohl eine Kirche gab? Er vermisste das vertraute Ritual seiner abendlichen Meditation in der Hauskapelle. Von einer Hafentaverne klangen Musikfetzen, Gelächter und Stimmengewirr über das Wasser. Er blieb unschlüssig stehen. Vielleicht sollte er doch besser wieder zurück an Bord gehen und sich gleich aufs Ohr legen?
    In diesem Augenblick hörte Telly ›The Truth‹ Suntide den zaghaften Stundenschlag einer Kirchenglocke und er wusste, dieser Ruf galt ausschließlich ihm.
    Er ging auf die ins Hafenrund geduckte, verwitterte Häuserfront zu und lenkte seine Schritte bedächtig durch die dunklen Gassen des Ortes; er folgte einfach seiner Intuition und die führte ihn tatsächlich nach kurzer Zeit bis vor das Eichentor einer kleinen, mittelalterlichen Kirche.

    *

    Glasklarer, gregorianischer Gesang empfing ihn, als er leise die schwere Türe öffnete und eintrat. Das Kirchenschiff war nur sehr spärlich erleuchtet. Im Schein mehrerer großer Kerzenleuchter vor dem Altar hatte sich eine Anzahl Mönche in Kutten zur Andacht versammelt. Es roch nach altem Holz und Weihrauch.
    Telly hatte immer noch das Gefühl, erwartet zu werden, aber die Kirche schien bis auf die singenden Mönche leer zu sein. Er bekreuzigte sich und nahm in einer der hintersten Bänke Platz. Erst dann bemerkte er die hagere, kleine Gestalt eines dunkel gekleideten, älteren Mannes, der in der selben Bankreihe etwas abseits saß und in tiefe Andacht versunken schien.
    Vielleicht ist er eingeschlafen?
    Plötzlich hob der Mann das Gesicht und starrte ihn unverhohlen und lange an. Dann stand er langsam auf, ging auf Telly zu und setzte sich direkt neben ihn. Im schwachgelben Kerzenlicht konnte Suntide die Züge eines asketischen, strengen Gesichtes erkennen. Der Fremde blickte nun wieder starr auf den Altar und bot Telly den Anblick seines kantigen Profils, das von einer kühnen Adlernase dominiert wurde.
    »Guten Abend, Mister Suntide. Ich bin sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wie geht es Ihnen?«
    Beim unverkennbaren Klang dieser tiefen Stimme fuhr Telly fast erschrocken auf. Er hatte wohl auf ein Zwiegespräch mit Gott gehofft, aber nicht mehr auf eines mit Mister Nathan Brock. Zumindest nicht in dieser unwirklichen Nacht.

Genesis II
    Um etwas in die Existenz zu rufen, muss gleichzeitig die Möglichkeit einer Differen zierung geschaffen werden. Die Schöpfung einer Sphäre geht deshalb Hand in Hand mit der Erschaffung der Zeit, nur mit ihr zusammen kann der Raum bestehen. Raum und Zeit sind nur aus der Notwendigkeit geboren, eine Schwingung möglich zu machen, also Bewegung und Veränderung.
    Gott der Allumfassende beugte sich freiwillig den Notwendigkeiten seines Spieles und trennte sich in drei voneinander verschiedene, unabhängig wirkende Wesenheiten auf – in die bejahende Kraft, die verneinende und die versöhnende Kraft. Das einzigallumfassende Sein hatte damit die vollendete Nichtexistenz, den Zustand reiner Potentialität, zugunsten der kreativen Ungewissheit des Lebens in all seinen unendlichen Verästelungen aufgegeben. Die erstmögliche und damit höchste aller Welten wurde so erschaffen, und sie war erfüllt von einem einzigen Ton, einer unvorstellbar hohen, schnellen Schwingung.
    Dann begannen Raum und Zeit gemäß ihrer Bestimmung diese Schwingung zu verlangsamen und zu verzögern, so dass Überlagerungen, Verdopplungen, Harmonien und Dissonanzen entstehen mussten. Auf diese Weise manifestierten sich aus Notwendigkeit weitere Gesetze, wie die der Mathematik und der Geometrie. Dies war die Voraussetzung dafür, eine zunehmende Vielfalt des Einen zu ermöglichen und weitere Wesen zu erschaffen, deren Eigenschaften und Zweck es sein würde, die Schönheit seiner Namen zu manifestieren.
    Nach dem Prinzip der Resonanz entstanden so in rascher Folge und vollständig automatisch drei neue Weltensphären mit unterschiedlicher energetischer Dichte ihrer Schwingungen bzw. ihrer Materie entsprechend den drei absteigenden Ganztonschritten in der ersten Schöpfungsoktave. Der Stoff, aus dem diese drei Welten und
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