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Das Nazaret-Projekt

Das Nazaret-Projekt

Titel: Das Nazaret-Projekt
Autoren: Heinrich Hanf
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von einer leidlich hübschen, aber sehr liebenswürdigen Dame mittleren Alters sowie dem Skipper begrüßt.
    »Guten Tag, Mister Suntide, wie geht es Ihnen? Ich hoffe Sie hatten eine angenehme Reise. Im Namen von Mister Brock heiße ich Sie an Bord der ›Rosebud‹ herzlich willkommen, Sir.«
    »Vielen Dank«, sagte Telly und wusste plötzlich intuitiv, dass er Nathan Brock niemals auf diesem Schiff antreffen würde.
    »Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Selma Rigby. Ich bin die Privatsekretärin von Mister Brock. Das hier ist unser alter Seebär Kapitän Steven Monk.«
    Der Käpt'n nickte, tippte zum Gruß lässig an seine Mütze und griff sich wortlos Tellys Koffer. Selma vollführte eine einladende Handbewegung über das Deck.
    »Wenn Sie erlauben, Sir, begleiten wir Sie gleich zu ihrer Kabine. Sie möchten sich bestimmt erst ein wenig von Ihrer Reise erholen und sich frisch machen.«
    »Vielen Dank, das ist sehr liebenswürdig, Miss Rigby.«
    Am liebsten hätte Telly gleich nach Nathan Brock gefragt, aber er wollte nicht ungeduldig erscheinen und vor allem nicht das alte Klischee vom Amerikaner ohne jedes Benehmen bedienen.
    Die Kabine auf dem Oberdeck repräsentierte Luxus der feinsten Art und Telly hatte auch nichts anderes erwartet.
    »Wenn es Ihnen recht ist, Mister Suntide, würden wir Sie in etwa einer Stunde gerne zu einem kleinen Dinner in der Messe erwarten. Ich muss Ihnen aber leider mitteilen, dass Mister Brock zu seinem Bedauern an diesem Essen nicht teilnehmen kann. Er wird vermutlich erst im Laufe des späteren Abends an Bord zurückkehren und bittet Sie vielmals um Nachsicht. Fühlen Sie sich jedenfalls ganz wie zu Hause, Sir, und wenn Sie einen Wunsch haben, dann wählen Sie hier an diesem Telefon eine schlichte Eins und Sie sind mit dem Chef-Stewart verbunden. Zwei und Sie haben den Käpt’n an der Strippe und die Nummer Drei ist mein Anschluss. Ich hoffe, Sie genießen ihren Aufenthalt, Sir. Die Küche an Bord ist übrigens exzellent.«
    »Oh, das ist wunderbar, vielen Dank«, sagte Telly.
    Ich hab’s ja gewusst, dieser Brock scheint doch irgendwie paranoide Züge zu entwickeln. Wovor versteckt der Mensch sich eigentlich?
    »Fein, In einer Stunde rufe ich Sie an und wenn Sie möchten, werde ich Sie dann zum Dinner abholen und Ihnen zeigen, wo Sie die Messe finden. Bis dann, Mister Suntide.«

    *

    Das Essen war tatsächlich vorzüglich und Telly vermutete boshaft, dass der Smutje unmöglich ein Engländer sein könne. Die kleine Tafelrunde bestand aus Miss Rigby, Kapitän Monk, dem ersten Offizier, einem deutschen Mediziner, der sich Telly als Dr. Rademacher aus München vorgestellt hatte, sowie einer hübschen jungen Frau, einer Computerspezialistin namens Silke Witt. Der Abend verging mit angeregter Unterhaltung, man war längst bei Kaffee, vorzüglichem Cognac und kubanischen Zigarren angelangt und Telly wurde langsam müde. Nathan Brock war natürlich nicht erschienen, ganz wie er erwartet hatte. In seinem Hinterkopf begann sich ein leichter Schmerz bemerkbar zu machen. Telly erhob sich vom Tisch. Es wurde Zeit, sich zu verziehen und ein wenig frische Luft zu schnappen, bevor er zu Bett ginge.
    »Mit Ihrer Erlaubnis, meine Damen und Herren, würde ich mich jetzt gerne zurückziehen. Sagen Sie, Kapitän, kann ich noch einmal kurz von Bord gehen? Ich würde mir gerne noch ein halbes Stündchen die Beine auf der Hafenpromenade vertreten!«
    Kapitän Monk schien etwas überrascht und blickte hilfesuchend auf Miss Rigby. Telly war dabei nicht entgangen, dass sie offensichtlich das Sagen an Bord hatte, denn sie nickte fast unmerklich dem Kapitän zu.
    »Oh, das geht schon in Ordnung, Mister Suntide. Ich werde die Beleuchtung für das Deck und die Gangway erst abschalten, wenn Sie wieder auf das Schiff zurückgekehrt sind. Äh, wünschen Sie vielleicht Begleitung, Sir? Wirklich nicht? Nun gut, ich wünsche Ihnen eine gute Nacht.«
    Telly stiefelte erleichtert hinaus an Deck in die nebelfeuchte Nachtluft. Trotz aller seltsamen Umstände – ein Gefangener schien er bis jetzt jedenfalls noch nicht zu sein!
    Die Gangway schwankte leicht unter seinem Gewicht. Im trüben Licht der antiquierten Laternen entlang der Mole schimmerte schwarz das feuchte Kopfsteinpflaster, jeder Stein sah aus wie ein nasser Katzenbuckel. Die dünnen Ledersohlen seiner 1000-Dollar-Schuhe fanden wenig Halt auf den glatten Rundungen. Tellys vorsichtiger Gang hatte deshalb Ähnlichkeit mit den Bewegungen einer Katze auf
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