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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition)
Autoren: Sandra Mantovana
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wie selbstverständlich mit seiner Signatur versah?
Niccolò wirkte fahrig, während er dem Meister die Geschichte des Jakob erklärte und den dramatisch konzipierten Schluss der beiden letzten 'Martyriums-Fresken' bereits andeutete. Gentile hielt sich im Hintergrund und reichte Andrea die richtigen Mengen der Ingredienzien, die Andrea für den intonaco benötigte und in der Art zusammenfügte, wie er es im 'Libro dell'Arte' von Cennino Cennini gelesen hatte: chalcinia et sabbione, tamigiata ben l'una et ll'altra; et se lla chalcina è ben grassa e frescha, richiede le due parti sabbione, la terza parte chalcina ...
So blass, wie der Kalk, erschien ihm Niccolòs Gesicht. "Was hast du, mein Freund?" zog Andrea ihn zur Seite, während Francesco Squarcione sich beim jungen Venezianer nach dem Befinden seines Vaters Jacopo erkundigte, denn er kannte Jacopo und seine Söhne sehr gut, noch von ihrem zwei Lehrjahren in seiner bottega her. "Ich bin müde, todmüde!; vermutlich ein wenig überarbeitet. Für heute lasse ich es gut sein, bringe dir gleichwohl ein Geschenk: den Auftrag für zwei weitere Szenen: die Folterung des 'Heiligen Christophs und der Abtransport seines Leichnams'. Warum nur müssen wir immer so Scheussliches darstellen?" Niccolò war der zart besaitete von den beiden Freunden, aber erzählen konnte er ungemein, wenn er den Pinsel führte.
Andrea stiess einen Freudenschrei aus und umarmte den Freund: "Ich würde sogar meinen eigenen Tod darstellen, wenn es dem Ruhme meiner Kunst dienen würde...", entgegnete Andrea ihm sarkastisch, so, wie man es bei guter Laune von ihm gewohnt war. Der alte Meister, der die gute Neuigkeit vernahm, gratulierte den beiden Männern und zog sich nach kurzem Blick auf die als sinopie angedeutete Rittergestalt mit Schwert hinter dem knienden Bauern, der sich von Jakob segnen liess, davon.
"Dem schwimmen jetzt die Felle davon, und wir avancieren zu den ' pittori celeberrimi ', den berühmtesten Malern, die Padua je hatte! Ja, die Zeiten ändern sich", jauchzte Mantegna, doch mit Bedauern stellte er fest, dass der Freund seinen Enthusiasmus nicht zu teilen vermochte. "Geh und ruh dich aus, mein Freund. Ich gehe währenddessen mit meinem Kollegen und künftigen Schwager aus Venedig einen bechern. Dabei wollen wir gleich zwei Ereignisse feiern: den Auftrag und - meine Hochzeit!"
Gentile sah, wie der überglückliche Andrea das Kalkgemisch abstellte und seinen Kittel von sich warf. Im Nu standen die drei Männer vor dem Kirchenportal in der warmen Nachmittagssonne und gingen, zwei zusammen und einer allein, ihrer Wege.
***
Noch immer nicht hatte Andrea seine Braut heimführen können. Die Konditionen zur Vermählung waren noch nicht ausgehandelt. Aufwendiger als gedacht war der vom Notar aus Venedig erstellte Vertrag. Nicolosia wurde ungeduldig und er sorgte sich um das Wachstum der Frucht im ihrem Leibe, die seit ihrer letzten Begegnung in Padua, als der Vater ihn zusammen mit ihr aufsuchte, entstanden war.
Das war, als sein Freund Jacopo das neue Fresko der Basilika mit dem Monogramm Christi bewundern wollte, das Andrea am 22. Juli fertig gestellt hatte. Ausserdem beabsichtigte er, sich mit den Florentiner Kollegen und Freunden aus alten Tagen zu treffen. Deshalb hatte er seinem künftigen Schwiegersohn seine Tochter Nicolosia ein, zwei Tage anvertraut...
     

 
Kapitel IV
     
     
Die Hochzeitszeremonie, das thalamium, hatte in Venedig festgelegten Riten zu folgen: vor der Vermählung wurde die Braut von ihren Begleiterinnen zum Fest geschmückt, mit einem Myrtenkranz im offenen Haar; sie trug ein weisses Gewand mit roten Ärmeln. Während der Ringübergabe hatten Zeugen anwesend zu sein und zwar nachher, im Brautgemach. Zumeist war die Braut während der Zeremonie ängstlich und nicht selten flossen Tränen in dieser Situation ut thalami tetigere fores, tum vere rubentes desuper invertunt calathos largosque rosarum ... quid tinguis, virgo? crede mihi: quem nunc horescic, amabis. Im Gedicht von Claudianus wird der Braut Mut gemacht. Aber diese Sorgen brauchte sich Andrea nicht zu machen, denn er war sich der Liebe und Hingabe Nicolosias sicher...
Im Hause Bellini wurden inzwischen die Hochzeitsvorbereitungen getroffen; die Braut war ausgerüstet worden mit einem vom Vater mit allegorischen Szenen bemalten cassone , einer Holztruhe voller feinstem Linnen und Seidengewändern. Am Morgen hatte die Mutter ihr ein goldenes Kreuz mit einer Kette überreicht, welches sie um den Hals
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