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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition)
Autoren: Sandra Mantovana
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sinnlichen Sebastian in Ergänzung zum Christophorus, der in unglaublicher Leichtigkeit durchs Wasser schritt. Das Werk hier nun war aber um einiges bedeutungsvoller, das spürte Andrea intuitiv!
Andrea suchte das Tageslicht; er verliess die Kirche eiligen Schrittes und schöpfte mit der blossen Hand einen kühlen Schluck Wasser aus dem nahe gelegenen Brunnen, gierig und atemlos. Sein Puls hatte fester geschlagen als beim Ritt in der Sonne des warmen Mai-Nachmittags. Das Werk versetzte ihn in einen Unruhezustand, den er nicht zu erklären vermochte. Wortlos betrat er das Kloster der Franziskaner und verlangte nach seinem Gepäck und nach seinem Pferd. An diesem Ort wollte er nicht länger bleiben!
Es begann schon zu dämmern, als er die Stadtkulisse von Gradara erblickte. Als erstes nahm er sich ein Zimmer im einzigen Gasthaus der Stadt und legte sich, kaum dass er aus den Sandalen geschlüpft war, auf die Pritsche, die mit frischem Leinentuch bedeckt war. Nach ein paar Bissen in den Brotlaib und einem Schluck Wein aus dem lederbezogenen Trinkbehälter wollte sich der Künstler zur Ruhe begeben. Doch die Gedanken an das, was er in Pesaro gesehen hatte, quälten ihn und liessen ihn nicht mehr los. Wann hatte er begonnen, in Giovanni einen Konkurrenten zu sehen? Als wäre es erst gestern gewesen, erinnerte er sich an den Beginn der Streitereien zurück, die damals im Hause Bellini in Venedig ihren Anfang nahmen…
     
     

Kapitel II
anno 1450
     
     
Eigentlich fing alles mit der Hochzeit Mantegnas mit Nicolosia, der Schwester Giovannis, an. Damals noch, im Jahre 1450, als sie in Venedig im Hause des Vaters Jacopo lebten, hatten die Brüder Bellini viel Vergnügen beim Durchstreifen der Stadt Venedig, auf Entdeckung nach Motiven, so wie sie es vom Vater gelernt hatten. Gentile hielt sich fest an den Ornamenten der gotischen Palazzi, während Giovanni Ausschau nach schönen Köpfen hielt, vor allem nach weiblichen.
Gerade schlenderten sie mit Skizzenblock und Griffel in der Hand über den Platz vor der Kirche San Geremia, als Giovanni ein Rauschen wallenden Stoffes neben sich vernahm, das vom Rock einer jungen Patrizierin herrührte. Sie strebte in ihrem samtroten Umhang unter dem ein gelbgoldener Brokat-Rock hervorlugte an ihnen vorbei hin zum Brunnen in der Mitte des Platzes. Welch Zufall, dass der Ältere der Brüder eben diesen Ort auswählte, um sich mit seinem Block niederzulassen. Gentile hockte sich auf die Stufen, während Giovanni aufmerksam beobachtete, wie die Frau unter ihrem Umhang einen Zinnbecher hervorzauberte, um mit ihm kühles Wasser aus dem Brunnen zu Schöpfen.
"Darf ich Ihnen behilflich sein?" Giovanni wollte die Situation für sich ausnutzen. "Oh,“ entgegnete die Dame, “das wäre gütig von Ihnen, denn mein Arm scheint bei Weitem nicht zu reichen.“ Nachdem er sich tief in den Brunnen gelehnt hatte, konnte er beim Reichen des gefüllten Bechers das Gesicht der jungen Schönheit eingehend studieren. Die zum Schmunzeln verzogenen Lippen wechselten ihre Form abrupt in ein geschürztes Rund, das sogleich vom Trinkgefäss verdeckt wurde. Jetzt fixierte Giovanni die grünen Augen - oder waren sie blau? Schon senkte die Dame ihren Blick, um den letzten Schluck des köstlichen kühlen Wasser zu geniessen. Beim Aufblicken zwinkerte sie dem jungen Maler zu und reichte ihm erneut den Becher. Dieser tauchte abermals mit dem rechten Arm tief in den Brunnen ab und freute sich über das milde ' grazie ' aus dem Mund der Schönheit nach Übergabe des Bechers. Ihre unberingten Finger liessen darauf schliessen, dass sie noch recht jung und unvermählt sein musste.
"Wem verdanke ich diese Wohltat?" fragte sie ihren Anbeter. "Maler Giovanni Bellini - vielmehr angehender Maler, auf den Spuren nach Motiven und Modellen zusammen mit meinem Bruder Gentile - Söhne des Jacopo Bellini, dem berühmten Künstler der Höfe von Padua und Ferrara." entgegnete Giovanni nicht ganz ohne einen gewissen Stolz in seiner Stimme.
"Nun übertreib aber nicht", versuchte der ältere Bruder, seinen 'Schützling', als den er ihn gern betrachtete, in seinem jugendlichen Enthusiasmus zu bremsen. Giovanni sah auch wirklich jung aus, mit seinen lockigem, dunkelbraunen Haarkranz, den sinnlichen Lippen und den klaren, hellen Augen. Er war zwar nicht hoch gewachsen, aber er hatte einen athletisch durchtrainierten Körper.
Gentile, der bei offiziellen Anlässen und Ehrungen immer als der weltmännische Künstler auftrat, konnte es sich auch
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