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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition)
Autoren: Sandra Mantovana
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sie wollten nicht ihren Platz teilen!
Giovanni hatte darüber hinaus noch ganz andere Bedenken. Würde der als streitsüchtig bekannte Mantegna ihre so sensible und kluge Schwester überhaupt glücklich machen können? War er nicht aus anderem Holz geschnitzt als sie, die Venezianer, die sie als Romantiker und Lyriker in der Kunst galten? Und auch ohne den Mangel an Poesie zu stark zu bewerten - hatte Mantegna überhaupt ein Recht, ihnen das Erbe ihres Vaters, seine Nähe und Inspiration, abspenstig zu machen?
Giovanni entgegnete dem Vater nicht, sondern nahm nur auf Entfernung den heftigen Diskurs zwischen ihm und dem älteren Sohn wahr; er verliess das Vaterhaus bei längst untergegangener Sonne und eilte in Richtung San Lio, instinktiv und ohne ein konkretes Ziel.
Auf dem Platz vor der Kirche konnte man wie jeden Tag ein buntes Treiben beobachten. Auf beschirmten Karren wurden frischer Fisch, Obst und Gemüse feilgeboten. Giovanni kaufte sich einen Apfel und setzte sich unweit des kleinen Marktes auf einen Stapel getürmter Holzpflöcke, Baumaterial für neue Fundamente. Im Abendlicht konnte er nur schwach die Fassaden der den Platz umragenden Häuser voneinander unterscheiden. Auf einmal ging ein Tor auf und ein Mann mittleren Alters hievte eine offenbar schwere Kiste vor sich zu einem Karren, auf dem bereits mehrere Kisten lagerten. "Herr, ihre Mütze“, rief ihm eine Alte hinterher, die durch ihre Öllampe den geschäftigen Mann blendete. Giovanni sprang von seiner ungemütlichen Sitzgelegenheit auf und fragte neugierig: "Der Herr verlässt sein Domizil?" "Kannste haben. Mir hat‘s eh nicht viel g’nützt denn als Goldschmied macht man sich in dieser Stadt keinen Namen!", schimpfte er in einem merkwürdigen Dialekt über die Venezianer "Sie reisen also ab?" fragte Giovanni erneut. "Ja", entgegnete der Fremde etwas zu laut, "und den Venezianern kannste sagen, dass der Hof von Mantua meene Dienste mehr zu schätzen wees." "An wen muss ich mich wenden, um mir den Palazzo näher anzuschauen?" Giovanni reagierte ganz spontan und wenn er es richtig durchdachte, recht übereilt, denn wovon wollte es sich eine eigene Unterkunft finanzieren? "Geh morgen früh zum Messer Marsili und sag ihm n'en scheenen Gruss von mir, Enrico , dem Goldschmied. Meene Schulden hier sind b‘zahlt und er tät gut dran, seinen 'Palazzo' wie du dies Kabuff nennst, nich‘ wieder zu Wucherpreisen zu vermieten. Morgens geg‘n 10 Uhr ist er am beste ansprechbar an seenem Lieblingsort , der Taverna dort drübe‘, gegenüb‘r der Kirche."
"Besten Dank und viel Glück", wünschte Giovanni ihm noch schnell, "...und mit wem hab ich die Ehr‘?", erkundigte sich der Goldschmid. "Giovanni Bellini, Maler im Dienste der Malaspina" entgegnete der übereifrige Malergeselle mit einem gewissen Stolz über seinen ersten Auftrag, der er erst vor zwei Wochen erhalten hatte, und der ihm noch nicht locker von der Hand wollte.
"Dir veel Glück in deene neue Atelier" rief der Fremde zurück. Sollte dies ein Omen sein? Die Dunkelheit war eingebrochen und Giovanni eilte nach Hause und malte weiter an seiner Madonna mit Kind in der dunklen Nische.
***
     

Er war es gewohnt, dass das Gespräch stockte, sobald er das Zimmer betrat. Seine Mutter unterhielt sich gern und lang mit ihrem grossen Sohn, der Jüngere hingegen bekam nur meist kurze Anweisungen für praktische Belange im Haushalt. Wie sollte er ihr da von seinem neuen Wunsch berichten, ein eigenes Atelier einzurichten, eine eigene Wohnung zu beziehen?
"Oh, nein, für deine Besorgungen habe ich heute Morgen keine Zeit, liebste Mutter", kam er ihrem Anlauf zuvor, sich mit einem Lächeln an den Spätaufsteher zu wenden, "ich habe Geschäftliches zu tun." "Sieh an, sieh an" kommentierte der Bruder schnippisch, "mein Bruder ist unterwegs in Sachen Geschäfte! Hoffentlich sind es nicht wieder Luftblasen wie neulich der Auftrag für die Carità-Kirche." "Gut Ding braucht Weile!", konterte Giovanni ganz ruhig, denn er wusste, dass er in geschäftlichen Belangen nicht so rigoros verhandeln konnte wie Gentile.
Damit verliess Giovanni die Küche, indem er noch seinem kleinen Bruder Niccolò übers lockige Haar strich, und trat auch schon aus der Haustür. Beim Hinausgehen stiess er auf seinen Vater, eine Mappe Zeichnungen unter dem Arm tragend, wobei ihm ein Blatt aus der Mappe glitt: "Guten Morgen mein Sohn! Begleitest du mich ins Atelier?" Giovanni bückte sich, um seinem Vater das Blatt zu reichen und erhaschte
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