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Das Musterbuch (German Edition)

Das Musterbuch (German Edition)

Titel: Das Musterbuch (German Edition)
Autoren: Sandra Mantovana
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jetzt nicht verkneifen, seinen Bruder in seine Schranken zu verweisen. Schliesslich gebührte ihm und nicht dem jüngsten Sohn des Bellini nicht der Rang eines weit über die Grenzen der Serenissima hinaus bekannten Schüler von Jacopo Bellini.
"Und mit wem haben wir die Ehre?" zog Gentile das Gespräch gleich auf sich, wofür er sich von den Stufen erhob und sein Barett schwenkte.
Während ihrer Antwort studierte Giovanni, der vorher seinem Bruder noch einen gereizten Gesichtsausdruck gezeigt hatte, den Kopf der Frau oder besser des Mädchens genauer. Das violett-blaue Tuch über ihrem Kopf verdeckte kaum die braunblonde Pracht ihres zur Mitte gescheitelten Haares vor der Sonne. Einzelne Strähnen lugten links und rechts neben dem Tuch hervor. Was für ein Madonnengesicht, dachte er bei sich, als er die so wenig zum weichen Gesicht kecke Stimme des Mädchens sagen hörte:
"Mein Name ist Elena Loredan, Tochter des Alonso Loredan“, dabei legte sie galant die ein Hand in die Hüfte, „ zu Besuch bei meinem Onkel, dem Pater Don Cesare, von der Kirche dort vorn."
"So - und Sie wagen sich so ganz ohne Begleitung auf diesen gefährlichen Platz der Serenissima?" wollte Gentile wissen. "Na, ja " - entfuhr es ihr schnippisch - "ausser ein paar Möchte-Gern-Malern hat es doch niemanden hierher verschlagen, oder?".
Loredan... Loredan - ging es Giovanni durch den Kopf, war das nicht die Patrizierfamilie, die ihren Palazzo am Canal grande in der Nähe der Rialto-Brücke besass? Bekannt war die Familie für ihr Kunstinteresse sowie für Aktivitäten, die mit der Regierung der Serenissima zu tun hatten. Des Öfteren hatte Giovanni den reichen und stets gut gekleideten Leonardo Loredan aus dem Dogenpalast schreiten sehen. Die Zusammenhänge einer Vertrautheit des Patriziers mit dem Dogen schien ihm bislang uninteressant. Aber nun erhielt seine Neugier durch die Bekanntschaft mit der Tochter der Patrizierfamilie eine ganz neue Dimension.
„Dann ist Leonardo Loredan gar mit Ihnen verwandt?“ „Sie kennen meinen Bruder?“
Unterbrochen wurde das kurze Gespräch von einem Menschenzug, der sich von der linken Seite des Platzes in Richtung Brunnen hinbewegte. Es waren junge Kleriker, die sich zur Messe in die Kirche San Geremia begaben. Ihnen schritt ein streng blickender Padre voran, der nur kurz seinen Blick hob, um Elena fest in die Augen zu schauen. Danach folgte der Zug den Ziel gerichteten Schritten der Zugspitze in Richtung Kirchenportal.
"Ich muss gehen", verabschiedete sich Signorina Elena hastig. "Wann kann ich Sie wiedersehen - vielleicht als Modell für eine meiner Heiligen Jungfrauen?" entfuhr es dem sonst so scheuen Giovanni, wobei seine Wangen sich verfärbten. "Über solche Fragen diskutieren Sie wohl besser mit meinem Herrn Vater" gab Elena mehr scherzhaft denn ehrlich zurück. Und schon folgte sie dem Zug der festlich gekleideten Kirchenmänner, als gehöre sie zu ihnen.
Noch etwa eine halbe Stunde sassen die beiden Brüder beisammen am Brunnen, in sich versunken, der eine mit dem Studium der Kirchenfassade beschäftigt, vor der er den Prozessionszug der jungen Frates schemenhaft festhielt, der andere beim Modellieren eines Frauenkopfes mit weichem Kohlestift, vielleicht den der Jungfrau Maria?
     
***
     
     
Am selben Abend noch vernahmen sie die folgenden Worte aus dem Mund ihres Vaters. "Eure Schwester Nicolosia wird den Maler Andrea Mantegna heiraten und damit basta! Er hat um ihre Hand angehalten und ihr wisst, dass mich mit ihm eine tiefe Freundschaft verbindet. Ich werde mich also nicht von zwei starrköpfigen Brüdern abhalten lassen, die vielleicht um ihre Position als Maler in der Stadt Venedig unberechtigterweise bangen. Andrea, Sohn des Tischlers Biagio aus Isola di Cartura, wird vielleicht schon bald vorübergehend bei uns wohnen und ihr zwei werdet ihn als Schwager hier im Hause akzeptieren!"
Trotz ihrer in letzter Zeit häufig streitlustigen Beziehung waren sich die Brüder vollends einig: sie konnten nicht zulassen, dass der Vater einem Fremdling so nahe Einblick in ihre Kunst gewähren wollte. Denn in dem Hause, in dem sie lebten und arbeiteten und es konnte gut sein, dass, bevor die Schwester Nicolosia den Tisch zur Vesper deckte, etliche Zeichnungen der Brüder wild verstreut herumlagen und keinen Platz für Teller und Weinbecher, geschweige denn Pfannen mit frischem baccalà oder Töpfe mit Braten oder der beliebten panàda zuliessen. Sie wollten sich nicht einschränken müssen und vor allem:
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