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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott
Autoren: Daniel Silva
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besser wird. Eine Stunde mit, eine Stunde ohne. Verstehen Sie?«
    »Ja, ich denke schon.«
    »Meiden Sie grelles Licht. Und tun Sie nichts, was Ihre Augen unnötig anstrengt.« »Wie steht's mit Malen?«
    »Denken Sie nicht einmal daran. Jedenfalls nicht die nächsten drei Tage.«
    Der Arzt legte Lampe und Fadenschneider in seine Tasche zurück und zog den Reißverschluss zu. Gabriel bedankte sich bei ihm dafür, dass er für einen Fünf-Minuten-Job den weiten Weg aus Tel Aviv auf sich genommen hatte. »Aber sagen Sie niemandem, dass Sie hier waren«, fügte er hinzu. »Andernfalls wird Sie der kleine Mann da drüben, der so böse guckt, mit bloßen Händen erwürgen.«
    Der Arzt betrachtete Schamron, der es irgendwie fertiggebracht hatte, die ganze Zeit zuzusehen, ohne einen einzigen Ratschlag zu erteilen.
    »Stimmt es, was man über ihn sagt? Ist er wirklich der Mann, der Eichmann gekidnappt hat?«
    Gabriel nickte.
    »Meinen Sie, ich kann ihm die Hand geben? Ich würde gern die Hände berühren, die dieses Ungeheuer ergriffen haben.«
    Shamron sagte noch immer kein Wort. »Ist schon in Ordnung«, sagte Gabriel. »Aber seien Sie vorsichtig. Er beißt.«
    Eigentlich wollte er die Augenklappe nicht tragen, aber er musste selbst zugeben, dass er mit besser aussah als ohne.
    Das Gewebe um das Auge war noch unförmig geschwollen, und die frische Narbe war rot und hässhch.
    »Irgendwann wirst du wieder wie du selbst aussehen«, versicherte ihm Chiara. »Aber das wird noch ein Weilchen dauern. Bei euch alten Männern heilt es nicht so schnell.«
    Der Optimismus des Arztes in Bezug auf das Tempo seiner Genesung erwies sich als berechtigt. Schon am nächsten Morgen hatte sich Gabriels Sehkraft deutlich gebessert, und am Morgen darauf erschien sie ihm fast wieder normal. Er fühlte sich imstande, Elenas Bitte nachzukommen und mit der Arbeit zu beginnen, begnügte sich zunächst aber mit einer kleinen Aufgabe: der Herstellung eines Keilrahmens, vierundneunzig auf zweiundsiebzigeinhalb Zentimeter. Als der Keilrahmen fertig war, zog er eine Leinwand auf und grundierte sie. Dann stellte er die Leinwand auf seine Staffelei und ließ sie trocknen.
    In der Nacht schlief er schlecht und wachte um vier auf. Er versuchte, wieder einzuschlafen, doch es war zwecklos, also schlüpfte er aus dem Bett und ging nach unten. Er hatte in den frühen Morgenstunden schon immer gut arbeiten können, und trotz seines geschwächten Auges war es auch an diesem Morgen so. Er trug die ersten Untermalungen auf, und gegen Mittag waren auf der Leinwand deutlich zwei kleine Kinder zu erkennen.
    Er legte eine Mittagspause ein, anschließend arbeitete er durch bis zum Abendessen. Er malte aus der Erinnerung, wobei er nicht einmal ein Foto als Gedächtnisstütze verwendete, und mit einem Tempo und einer Sicherheit, die er eine Woche zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Manchmal, wenn es im Haus still war, konnte er fast spüren, wie sie neben ihm stand und ihm Anweisungen ins Ohr flüsterte.
Achten Sie auf die Pinselführung bei den Händen,
erinnerte sie ihn.
Tragen Sie bei den Händen nicht zu viel Farbe auf.
Und manchmal, wenn sich sein Blick trübte, sah er Elena, in Iwans Lagerhaus des Todes an einen Stuhl gefesselt, einen Pistolenlauf im Genick.
Sie können ruhig abdrücken, Arkadij, denn Iwan wird die Kinder niemals bekommen.
    Chiara und das Hauspersonal hüteten sich, ihm bei der Arbeit zuzusehen, aber Schamron und Gilah kannten seine Regeln nicht und ließen ihn daher nie allzu lange allein. Gilahs Besuche waren nur Stippvisiten, aber Schamron, der sonst nichts zu tun hatte, gehörte im Atelier bald zum festen Inventar. Gabriels künstlerisches Talent war ihm immer ein Rätsel geblieben - für Schamron war Malen nur eine Art Zaubertrick oder Bluff-, doch jetzt war er zufrieden, dass er still neben Gabriel sitzen und ihm bei der Arbeit zusehen konnte, auch wenn er dafür auf seine Zigaretten verzichten musste.
    »Ich hätte dich 72 auf der Bezalel-Akademie lassen sollen«, sagte er eines späten Abends. »Ich hätte mir einen anderen suchen sollen, der die Mörder vom Schwarzen September jagt. Du wärst einer der größten Künstler deiner Generation geworden und kein ...«
    »Und kein was?«
    »Und kein überspannter Restaurator, der unter Melancholie und Gemütsschwankungen leidet und in einer Villa mitten in Umbrien zwischen Schweinen und Kruzifixen lebt.«
    »Ich bin glücklich, Ari. Ich habe Chiara.«
    »Gib gut auf sie acht, Gabriel. Denk
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