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Das Moskau-Komplott

Das Moskau-Komplott

Titel: Das Moskau-Komplott
Autoren: Daniel Silva
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hatte mehr oder weniger tatenlos zugesehen. Erst als er eine moralische Grenze überschritten hatte - als er es gewagt hatte, seine Waffen direkt an die Kräfte des weltweiten islamischen Extremismus zu verkaufen -, da plötzlich horchten die Regierungen der zivilisierten Welt auf und wurden aktiv. Selbst wenn es der al-Qaida gelungen wäre, die Anschläge wie geplant durchzuführen, so äußerte ein angesehener Kommentator, wäre die Zahl der Todesopfer verschwindend gering gewesen, gemessen an dem Blutzoll, den Iwans Waffen allein in Afrika schon gefordert hatten.
    Es wurde allseits vermutet, dass Iwan nach Russland geflüchtet sei. Wie es ihm gelungen war, aus Frankreich, wo er zuletzt gesehen worden war, herauszukommen, war heftig umstritten. Vertreter der französischen Flugaufsicht räumten ein, dass Iwans Privatjet am Morgen des 26. August vom  internationalen  Flughafen in  Nizza gestartet sei, obwohl man wiederholte Bitten um Bestätigung eines Flugplans oder der Passagierliste abgelehnt habe. Die Presse verlangte Auskunft darüber, ob französische Stellen zum Zeitpunkt des Flugs von Iwans Aktivitäten gewusst hätten. Und wenn ja, warum sie ihm und seinen Leuten dann die Ausreise erlaubt hätten.
    In Anbetracht des aufziehenden Mediengewitters mussten die französischen Behörden schließlich zugeben, dass sie zum Zeitpunkt des Flugs in der Tat von Iwans Verwicklung in das Raketengeschäft gewusst hatten, allerdings hätten sie mit Rücksicht auf »bestimmte operative Erfordernisse« Iwan erlauben müssen, Frankreich zu verlassen. Diesen operativen Erfordernissen zum Trotz wollten französische Staatsanwälte Iwan nun zurückhaben, wie auch ihre Kollegen in Großbritannien, wo man ein ganzes Bündel von Anklagen gegen ihn geschnürt hatte, angefangen bei Geldwäsche bis hin zur Beteiligung an einer Verschwörung zum Massenmord. Ein Kreml-Sprecher tat die Beschuldigungen als »westliche Lügen und Propaganda« ab und wies daraufhin, dass nach russischem Recht eine Auslieferung Herrn Charkows auf der Grundlage eines gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens nicht möglich sei. Des Weiteren erklärte der Sprecher, dass die russischen Behörden keinerlei Kenntnisse über Herrn Charkows Verbleib hätten und nicht einmal wüssten, ob er sich überhaupt im Land aufhalte.
    Achtundvierzig Stunden später, als ein Foto von Iwan auftauchte, das ihn bei einem Kreml-Empfang für den jüngst wiedergewählten russischen Präsidenten zeigte, ließ sich der Kreml zu keiner Stellungnahme bewegen. Im Westen wurde viel Aufhebens darum gemacht, dass Iwan zu dem Empfang nicht mit seiner eleganten Frau erschien, sondern mit einem hinreißend aussehenden jungen Model namens Jekatarina Masurowa. Eine Woche später reichte Iwan bei einem russischen Gericht die Scheidung ein, wobei er Elena Charkowa unter anderem Untreue und Kindesmisshandlung vorwarf. Elena war nicht anwesend und konnte daher zu den Vorwürfen nicht Stellung nehmen. Sie war wie vom Erdboden verschluckt.
    Nichts von alledem schien das Personal der Villa dei Fiori in Umbrien zu interessieren, denn es hatte sich um dringendere Angelegenheiten zu kümmern. Die Ernte musste eingebracht und Zäune mussten repariert werden. Ein Pferd hatte sich am Bein verletzt, und im Dach war ein Loch, das noch vor den heftigen Winterregen geflickt werden musste. Und dann war da noch dieser melancholische Mann mit der Augenklappe, der Angst davor hatte, nie wieder arbeiten zu können. Er konnte nichts weiter tun als zu warten. Und seinen Tennisball gegen die etruskischen Mauern im Garten zu werfen. Und mit den Hunden den staubigen Schotterweg entlangzuwandern.
     

72 Villa dei Fiori, Umbrien
    Eine Woche später rief Ari Schamron an und lud sich selbst zum Essen ein. Er kam in einem Botschaftsfahrzeug, mit Gilah an seiner Seite. Es war ein windiger und nasskalter Nachmittag, und so aßen sie nicht draußen, sondern im offiziellen Speisezimmer, in dessen offenem Kamin ein Olivenholzfeuer knisterte. Schamron stellte sich als Herr Heller vor - einer seiner vielen Decknamen - und sprach im Beisein von Anna und Margherita nur deutsch. Nach dem Essen halfen Chiara und Gilah beim Abwasch. Gabriel und Schamron zogen sich ihre Mäntel an und spazierten zwischen den Schirmkiefern den Schotterweg entlang. Schamron wartete, bis die Villa hundert Meter hinter ihnen lag, bevor er sich seine erste türkische Zigarette ansteckte. »Kein Wort davon zu Gilah«, sagte er. »Sie liegt mir dauernd damit in
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