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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz
Autoren: Roman Rausch
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sich irritiert. Sie hatten den weißen Ring, der Wilde und Imhof umschloss, übersehen.
    «Wieso», fragte Heinlein unsicher, «was ist damit?»
    «Das ist Magnesium», schrie Wilde. «Wenn es anfängt zu regnen, sind wir verloren.»
    Mit einem Schlag erinnerten sich Kilian und Heinlein ihres Besuchs im Studentenheim am Galgenberg, als sie den selbst gebastelten, menschenähnlichen Ballon in Augenschein genommen hatten. Ihr Kollege Randstadt von derSpurensicherung hatte ihnen von der leichten Entzündbarkeit des Magnesiums berichtet.
    «Mist», presste Kilian heraus, «wie löscht man dieses Zeug?»
    Heinlein zuckte die Schultern. «Keine Ahnung. Notfalls mit dem Feuerlöscher.» Er zog die Schlaufe aus der Patrone. Nun war sie scharf. Er brauchte nur noch abzudrücken, und der Inhalt würde das Feuer ersticken. Was er nicht wusste: Einen Magnesiumbrand konnte man nur mit geeigneten Löschmitteln ersticken. Das, was er da in der Hand hielt, war ein handelsüblicher Feuerlöscher für die Brandklassen A, B und C, also für feste oder flüssige Brandherde. Dieses Brandschutzmittel würde, wenn es mit brennendem Magnesium in Kontakt käme, den Brand zusätzlich anheizen.
    In die gespannte Stille hinein knisterte ein verdampfender Regentropfen, der auf eine der Fackeln gefallen war. Erschreckt starrten Wilde, Heinlein und Kilian auf die Fackel.
    Imhof hingegen lächelte zufrieden und ließ den Daumen vom Feuerzeug gleiten, sodass die Flamme erlosch. Er nahm das noch immer halbgefüllte Säckchen Magnesium und drückte es fest an sich. Wie geplant, fällten die Götter die Entscheidung, und nicht er. Ein Blitz, der die Nacht über ihnen aufriss, und ein kurz darauf folgender ohrenbetäubender Donnerschlag sprengten die schweren Wolken.
    Jetzt oder nie, sagte sich Kilian. Im Wettlauf mit den knisternden Regentropfen um ihn herum sprang er in den inneren Kreis. Zu spät. Ein Tropfen hatte die Magnesiumlinie entzündet. Es zischte und rauchte, und binnen eines Augenblicks reagierte das Magnesium vollständig in einem unwirklichen, gleißenden Licht, das alle blendete. Kilian sah von einem Moment auf den anderen nichts mehr und stürzte zu Boden. Nicht anders erging es Heinlein. Dieser weiße Blitz schien sich durch seine Augen direkt ins Gehirn zu schweißen. Selbst als er die Augen schloss, gab es nur noch dieses unbeschreiblichhelle, alles auslöschende Weiß. Er spürte, wie er den Arm mit dem Feuerlöscher hob und den Abzug betätigte.
    In die Fontäne des Löschmittels hinein gab es eine Verpuffung, einen dröhnenden Knall, der alles Leben um sie herum auszulöschen schien. Dann hörte er einen Aufschrei, der in unkontrollierbares Kreischen überging und sich schnell entfernte.
    «Kilian?!», rief Heinlein, blind und mit bloßer Verzweiflung.
    Er kroch spontan in Richtung des Feuerherdes, doch er musste stoppen, als er in die Flammen griff.
    Auf der Straße hörte er einen Wagen bremsen. Dann einen dumpfen Aufprall, und kurz darauf schlug ein Körper ein paar Meter entfernt auf den harten Feldboden auf, wo er leblos die Böschung hinunterrutschte.
    «Kilian!», schrie Heinlein.
    Während er auf dem Rücken lag, prasselte heftig einsetzender Regen auf sein Gesicht. Um ihn herum weitere Verpuffungen. Das Magnesium hätte keine bessere Nahrung bekommen können.

53
    Es brannte wie Feuer in den Augen. Das gleißende Weiß war einem grieseligen Grau gewichen, das von farbenprächtigen Schlieren durchzogen war. Noch immer konnte Heinlein nicht sehen, was um ihn herum geschah. Nachdem er kurzzeitig dahingedämmert war, hatte er die nahenden Rettungsfahrzeuge nur am Martinshorn erkennen können. Es mussten mindestens vier oder fünf sein, die über die Autobahn zum Einsatzort gerufen worden waren. Sie hatten vermutlich auch die Feuerwehren alarmiert, die nun versuchten, im strömenden Regen das reagierende Magnesium mit dem richtigen Löschmittel unter Kontrolle zu bringen. Solange diese Sisyphusarbeit nicht abgeschlossen war, konnten sich die Sanitäter nicht um die Opfer kümmern.
    Heinlein lag noch immer auf dem Boden, Regenwasser floss ihm in die Ohren. Er wollte sich erheben und nach Kilian schauen, aber etwas an seinem Bein hinderte ihn daran. Es war seltsam gefühllos und gehorchte ihm nicht mehr. Mühsam zog er sich an den Händen durch den Schlamm. Aus der Ferne hörte er Stimmen rufen. Sie klangen eindringlich, drohend, unverständlich.
    Sie kümmerten ihn nicht. Er musste Kilian finden. Wo hatte er ihn das letzte Mal
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