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Das Mordkreuz

Das Mordkreuz

Titel: Das Mordkreuz
Autoren: Roman Rausch
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mit aller Kraft dagegen. Die Tür sprang auf, und Kilian ging mit gestreckter Waffe hinein.
    Ein «Sauber» forderte Heinlein wenig später auf, nachzukommen. In der Küche und im angrenzenden Badezimmer war niemand. Heinlein ging zur Treppe, blickte hinauf und ging nach oben. Im nächsten Raum, dem Schlafzimmer, trafen sie auch niemanden an. Das Bett war benutzt, aber schon kalt. Blieb das letzte Zimmer, das Turmzimmer, übrig. Wenn Imhof sich hier oben versteckte, so stand er mit dem Rücken zur Wand. Es gab kein Entkommen. Heinleins Puls beschleunigte sich. Ein kurzer Blick über den Fußboden musste genügen, und er zog den Kopf sofort wieder zurück, als er das Treppenende erreicht hatte.
    «Alles klar?», frage Kilian leise.
    Heinlein nickte, atmete tief durch und entschloss sich, die letzten Stufen mit Bestimmtheit zu nehmen. Mit entsicherter Waffe blickte er sich in dem Raum um.
    In der Mitte stand eine Ledercouch, kreisum an der Wand Regale, die Hunderte von Büchern fassten, davor ein flacher Couchtisch. In der Ecke der Schreibtisch. Das war alles. Hier konnte sich niemand verstecken.
    Heinlein steckte die Waffe in das Halfter zurück und betrat den Raum. Er blickte aus dem Fenster hinunter auf die alte Stadtmauer. Kein flüchtender Imhof, auch sonst niemand. Die Gemeinde schien im kollektiven Dornröschenschlaf zu liegen.
    «Na, das nenne ich wirklich ein Schatzkästlein», sagteKilian bewundernd. «Hier lässt sich’s aushalten.» Er schritt die Bücherfront entlang und schaute, wofür sich Imhof interessierte. «
Historische Ortskerne in Mainfranken
,
Tilman Riemenschneider
und hier:
Geheimnisvolles Würzburg
. Tja, wer hätte das gedacht.»
    «Schau mal hier», sagte Heinlein. Er stand am Schreibtisch. Darauf ein gerahmtes Bild von Michael Imhof und Rosie Wilde. «Das schaut nach großer Liebe aus.» Das Bild stand bei Kilians letztem Besuch noch nicht an diesem Ort.
    «Jetzt wird’s interessant», sagte Kilian und zog ein Buch aus dem Regal. «
Bildstöcke an den Wegen durch Unterfranken.
Und hier noch weitere.
Historische Sühnekreuze, Bildstöcke und Gedenksteine.
Was hat Imhof eigentlich studiert?»
    Heinlein hörte nur mit halbem Ohr zu. Er war mit der Schublade des Schreibtisches beschäftigt, die verschlossen war. «Volkskunde, glaube ich.» Er nahm den Brieföffner zur Hand und setzte ihn zwischen Schloss und Halterung an. Ein kurzer, kräftiger Hebel, und das Verschlossene wurde zugänglich. Obenauf erkannte er ein Bild, dessen Motiv er nur zu gut kannte. «Komm rüber. Hier ist, was wir suchen.»
    Das Bild zeigte den Bildstock, unter dem Richter Zinnhobel gefunden wurde. Daneben Kopien aus Büchern. Eine davon hatte die Geschichte des Kutschers zum Inhalt, der eine junge Frau mit dem Namen Mathilde auf dem Weg nach Würzburg mit dem Fuhrwerk überrollt hatte. Daran war ein weiteres Bild geheftet. Es zeigte Richter Zinnhobel mit blutüberströmtem Kopf, zusammengekauert in seinem engen Grab.

50
    Der Name Rosalinde Wilde war mit goldenen Lettern in den Granitblock gehauen. Er stand nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt auf dem Friedhof der Nikolauskirche in Winterhausen. Die Dämmerung wich der Nacht über der kleinen Gemeinde linksseitig des Mains. Am Himmel hatten sich die Wolken zu einer dicken schwarzen Masse zusammengeballt, die alsbald ihre schwere Last über der ausgezehrten Natur ausschütten würde. Die Luft war feuchtwarm und dick, sodass jede Bewegung Mühe und Schweiß kostete.
    Michael Imhof parkte den Wagen auf der Hauptstraße. Er stieg die Stufen zur Nikolauskirche hinauf und begab sich ans Grab seiner Geliebten. Zwischen seinen Fingernägeln war das Blut von Gerald Wilde eingetrocknet, was ihn aber nicht sonderlich störte, da er die Aufdeckung seiner Taten nun nicht mehr fürchtete. Erst wenn alle Welt von den Geschehnissen der letzten Monate erfuhr, würde sein Plan aufgehen, und die Gerechtigkeit wäre wiederhergestellt.
    Er hatte sich in den vergangenen Stunden mit seiner Schwester Andrea getroffen. Beim Abendessen nahm er Abschied von ihr, ohne dass sie etwas davon ahnte. Für sie war es ein vertrautes Beisammensein unter Geschwistern, wie Hunderte Male zuvor. Andrea war nun eine erwachsene Frau, die Michael Imhof ins Leben entlassen würde. Er hatte keine Angst um sie und machte sich auch keine Vorwürfe, sie allein zurückzulassen. Irgendwann war bei jedem Menschen der Zeitpunkt gekommen, an dem er sich auf eigene Füße stellen musste. Sein gesamtes Hab und Gut
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