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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café
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du nicht,
nicht wahr?«
»Nein«, antwortete der Automat demütig oder etwas
unwillig – aber das schien Pjotr wohl nur so. Unbewußt
sprang er auf, wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme kam.
»Höre«, flüsterte er. »Du bist der Automat
Sigma sechs. Ich erkenne dich wieder. Höre…«
»Ich gehorche dir, sprich.«
»Töte mich!«
Schweigen. Nur der Wind rauschte, und in das Rauschen mischte sich das schluchzende, stoßweise Atmen Pjotrs.
»Ich verstehe dich nicht. Wiederhole den Satz.«
»Du bist eine Maschine, die uns Menschen dient. Du besitzt ein
mechanisches Gedächtnis und kannst alles, was es aufnimmt, wieder
löschen, als wäre es nie gewesen. Niemand erfährt es,
niemand schadet es. Sigma sechs, rette mich, töte mich! Hörst
du?« Er keuchte. Schluchzen würgte ihn in der Kehle.
»Du bist aus Metall… eine Maschine… tot. Du
fühlst nichts, weißt nichts. Du begreifst nicht, was
Verzweiflung, was Qual ist. Nichts von alldem kennst du. Wie gut ist
das. Ich… ich habe jetzt nicht die Kraft… ich habe sie
nicht… aber ich weiß… ich muß sie haben,
und… und das ist schon viel. Ich… Vergiß dieses
Gespräch, Sigma sechs, hörst du?«
»Ich vergesse es nicht«, erwiderte der Automat.
»Weshalb nicht?«
»Mein Modulationskreis ist durchgebrannt. Wenn sie mich reparieren, werde ich es vergessen.«
Piotr lachte bitter. »Ach so. Na gut. Vielleicht reparieren sie
mich auch, und vielleicht – ja, vielleicht kann ich dann auch
vergessen.«
Er wandte sich um und schritt langsam in das Dunkel. Wieder
zwängte er sich durch das dichte Gebüsch. Am Horizont glomm
ein hellerer, violetter Schein. Ein neuer Tag brach an. Allmählich
zeichneten sich die Umrisse der Büsche und Bäume ab. Der Wind
verstummte. Das Land breitete sich vor Pjotr aus, weit, farblos, als
wäre es über Nacht zu Asche geworden. In der Ferne blinkte
das Licht eines Hauses auf, ein flimmerndes, irdisches Sternchen, von
dem er den Blick nicht loszureißen vermochte. Menschen erwachten
dort mit dem neuen Tag. Die Arbeit begann wie immer. Auf den
Flugplätzen landeten Raketen. In den Laboratorien beugten sich
Menschen aufmerksam über Instrumente. Seine Kollegen im
Observatorium am Tycho-Brahe-Paß warfen vielleicht eben ihre
reifbedeckten Skaphander auf den Stahlfußboden. Sie erwarteten
ihn. Im fernen Sylistrien war es bereits Tag. Ein kleines Mädchen
sagte vielleicht zu seiner Mutter: »Ich fahre nicht mit der Tante
fort. Ich will heute keinen Ausflug machen. Heute kommt Onkel Pjotr und
erzählt mir ein Märchen.«
Pjotr hob die Hände, vor das Gesicht, fuhr sich über die
Augen und schritt auf die Station zu. Den Blick in die morgendliche
Weite gerichtet, gab er sich ganz dem Frieden der erwachenden Welt
hin…
Das ist die Geschichte Pjotrs, des Schiffbrüchigen im Sternenraum,
die einzige Erinnerung, die er über die Katastrophe hinweg
gerettet hatte, da sie stärker war.
Stanislaw Lem
Die Formel des Schönen
    Mathematische Fähigkeiten besaß er
bereits als Kind. Als er seine Studien beendet und selbständige
wissenschaftliche Forschungen aufgenommen hatte, veröffentlichte
er wenige Jahre später eine Arbeit, die ihn berühmt machte.
Er wagte sich an die schwierigsten Fragen und löste Probleme, mit
denen andere seit Jahren erfolglos rangen, in wenigen Monaten. Er war
imstande, zwei, ja sogar drei Forschungen auf einmal zu betreiben.
Seine Begabung, sein Scharfsinn, seine Intuition ermöglichten es
ihm, jedes neue Thema, das ihn fesselte, so lange zu verfolgen, bis er
die Richtung erkannte, in der weitergegangen werden mußte. Aber
kaum daß ihm die Umrisse des Ganzen vorschwebten, hörte bei
ihm das Interesse für dieses Problem auf, und er übergab es
zur weiteren Bearbeitung seinen Automaten. Er hatte sich mit einer
ganzen Schar solcher unermüdlichen Helfer umgeben. Alles, was er
anpackte, hielt er für zu leicht, da es ihm geringe
Schwierigkeiten bot. Die Kollegen nannten ihn den »Sammler harter
Nüsse« und warfen ihm allzu großes
Selbstbewußtsein vor. Endlich beschlossen sie, ihm die
Lösung eines bestimmten Problems anzutragen. Er nahm die
Herausforderung an und erklärte, dies sei etwas, was seinen
Kräften entspreche.
    Bisher war in der Nüchternheit seines
Arbeitsraumes, dessen Einrichtung aus einem Schreibtisch, einem Sessel,
zwei Elektronenhirnen und einigen Hilfsanalysatoren bestand, eine
Hyazinthe, die in einem kegelförmigen Topf am Fenster blühte,
das einzige Zugeständnis an das Schöne. Nun sprühte
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