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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café
Autoren: diverse Autoren
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der
DDR-Utopie die Kunst der Erzählung. Was bis dahin vereinzelt in
Heftpublikationen und Anthologien zu finden war, schwoll zu einem bis
heute anhaltenden Strom und belebte das Land Utopia mit neuen
Erscheinungen, Farben und Ideen.
    Die Autoren unseres Landes zogen in bemerkenswert
kurzer Zeit nach und erreichten, was Titelzahl und erzählerische
Qualität angeht, den internationalen Anschluß. Heute gibt es
kaum einen Utopie-Autor, der nicht Erzählungen schriebe. Umgekehrt
hat eine Reihe junger Autoren über die Erzählung Zugang zur
Literatur gefunden. Mehr als zwei Dutzend Schriftsteller haben seither
eigene Bände mit phantastischer und utopischer Kurzprosa
veröffentlicht. Die Form der Erzählung und die der
Kurzgeschichte kam der künstlerischen Eigenart der Verfasser
entgegen und forderte sie zugleich heraus. Die Mannigfaltigkeit der
Schreibweisen ist beachtlich.
    Was da herangewachsen war, stieß auch im
Ausland auf Interesse. 1980 stellte Juri Nowikow im Moskauer Verlag
Molodaja Gwardija in dem Sammelband »Parallelen« siebzehn
DDR-Autoren mit phantastischen Geschichten vor; mehrere ebenfalls der
DDR-Phantastik gewidmete Anthologien folgten in anderen sozialistischen
Ländern und in der BRD.
    Die literarische Figur des Roboters unterlag
ebenfalls einer Wandlung. Ihre Blütezeit ist überschritten,
weil sie von der Realität eingeholt worden ist. Der
Industrieroboter, eine massenhaft eingeführte prosaische und
nützliche Konstruktion, hat das geheimnisvolle Wesen aus der
Phantasie verdrängt. Seine jüngste Generation kann bereits
sehen und unterscheiden und zielgerichtet zufassen. Ob einfach oder
kompliziert, die Roboter sind dem Menschen darin überlegen,
daß Lärm und Hitze ihnen nichts ausmachen. Auch verschlafen
sie nicht, kennen keine schlechten Tage und streiten sich nicht mit dem
Chef. Freilich bringen sie auch keinen Neuerervorschlag zustande. Der
Befehl, der in Günther Krupkats »Insel der Angst« aus
dem gewalttätigen Autogonen einen friedlichen, arbeitswilligen
Burschen macht, ist Bestandteil ihres Basisprogramms: Ich diene –
dem Menschen.
    Ob menschenähnlich oder nicht, der
intelligente, gleichsam alles vermögende Literaturroboter erinnert
an den Neandertaler. Er stellt eine ausgestorbene Seitenlinie dar.
    Die Hauptlinie wird durch den Computer
weitergeführt. Genaugenommen ist er lediglich ein auf der
Mikroelektronik beruhendes Rechengerät, doch seine
Rechenfertigkeit öffnet ihm den Zugang zu allem, was sich
mathematisch formalisieren läßt, und das ist eine von Stunde
zu Stunde größer werdende Welt. Heute schon kann er
zeichnen, lesen, sprechen und, wenn auch noch unschön, singen. Er
gehört in vielen Tätigkeitsbereichen zum Alltag, wo es um
technische Entwürfe und industrielle Fertigung geht. Er steuert
Maschinensysteme und Werkanlagen. Wie der universell einsetzbare, nicht
an einen festen Standort gebundene Elektromotor die Dampfmaschine mit
ihrer schwerfälligen Kraftübertragung ablöste, so stehen
heute die Personal- und Bürocomputer am Arbeitsplatz des
Konstrukteurs, des Ingenieurs, des Planers, des Statistikers, des
Agronomen, des Biologen – Denkwerkzeuge zur Verstärkung der
Geisteskraft. Ordnet man dem Computer den Industrieroboter als Werkzeug
zu, hat man die Straße betreten, die in eine Zukunft führt,
in der der Mensch nicht mehr in, sondern neben dem
Produktionsprozeß steht und eine neue Stufe seiner
schöpferischen Universalität erklommen hat.
    Diese Entwicklung übt, phantastisch verfremdet
und überhöht, Einfluß auf die Literatur aus. In der
utopischen Weltliteratur ist der hochgezüchtete, auf organischer
Basis arbeitende Computer ein intellektuell zumindest gleichrangiger
Partner, der komplizierte Situationen schneller analysiert als der
Mensch. Er ist vorschlagsfähig und - berechtigt, und in
Fällen, in denen der Mensch vorübergehend nicht
handlungsfähig ist, kann er der künstlichen Intelligenz sogar
Entscheidungsbefugnisse übertragen. Hieraus ergeben sich neue
Probleme.
    Eins allerdings ist unverändert geblieben. Das
Verhältnis von Intellekt und Vernunft bietet dem literarischen
Gedankenspiel eine nahezu unerschöpfliche Ideenquelle, doch trotz
der unvergleichlichen Präzision, der an Wunder grenzenden Rechen-
gleich Denkgeschwindigkeit, dem enzyklopädischen
Speichervermögen, der unbestechlichen Logik – die
Verantwortung trägt nicht der Computer, sondern der Mensch. Im
Kosmos wie auf der Erde. Das ist eine Existenzfrage, von der,
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