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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman
Autoren: Amitav Ghosh
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heran: »Malum Zikri! Kebbin-Mann fix futschi-futsch. Hab ganz viel krank! Muss hab Dokta. Kannix ham-ham. Bloß ka-ka, pi-pi. Riech puh-puh in Kebbin-Kabbin.«
    Zachary begab sich in die Kapitänskajüte und erfuhr, es sei alles halb so schlimm: nur ein normaler Dünnpfiff – nicht die Ruhr, denn es sei keine Spur von Blut zu finden, keine dunklen Flecken im Mostrich. »Ich pass schon auf mich auf: Nicht das erste Mal, dass ich Bauchgrimmen und Aftersausen hab.«
    Aber bald schon war der Kapitän zu schwach, um seine Kajüte zu verlassen, und Logbuch und Navigationskarten wurden Zachary anvertraut. Da er bis zum zwölften Lebensjahr die Schule besucht hatte, konnte Zachary schreiben – langsam zwar, dafür aber wie gestochen. Es fiel ihm also nicht schwer, das Logbuch zu führen. Anders verhielt es sich mit der Navigation: Er hatte auf der Werft ein wenig Rechnen gelernt, aber Zahlen waren nicht seine Stärke. Doch im Lauf der Überfahrt hatte er so oft wie möglich dem Kapitän und dem Ersten Steuermann bei der Mittagspeilung zugesehen, und manchmal hatte er sogar Fragen gestellt, die ihm, je nach Laune der Vorgesetzten, lakonische Antworten oder einen Fausthieb einbrachten. Jetzt bemühte er sich mithilfe der Uhr des Kapitäns und des von dem toten Steuermann geerbten Sextanten, die Position des Schiffes zu errechnen. Seine ersten Versuche endeten
in Panik, denn seine Berechnungen ergaben eine Kursabweichung von mehreren Hundert Meilen. Doch als er eine Kursänderung anordnete, stellte er fest, dass die Steuerung des Schiffes ohnehin nie in seinen Händen gelegen hatte.
    »Malum Zikri denk Laskar-Mann nix kann segel Schiff?«, fragte Serang Ali gekränkt. »Laskar-Mann auch weiß viel gut segel Schiff, luk-luk.«
    Auf seinen Einwand, sie seien Hunderte von Meilen von ihrem Kurs nach Port Louis abgekommen, erwiderte Serang Ali gereizt: »Vor was Malum Zikri mach so groß Tamtam? Malum Zikri noch muss lern segel. Nix kann segel Schiff. Nix seh Serang Ali auch viel schlau Mann? Bring Schiff Por Lui drei Tag, luk-luk.«
    Drei Tage später, genau wie versprochen, tauchten Steuerbord voraus die gewundenen Hügel von Mauritius und darunter Port Louis in seiner Bucht auf.
    »Mich laust der Affe!«, sagte Zachary in widerstrebender Bewunderung. »Ist denn das die Möglichkeit? Bist du sicher, dass es Mauritius ist?«
    »Hab sag, nein? Eins-a kann segel Schiff.«
    Wie Zachary später erfahren sollte, hatte Serang Ali die ganze Zeit seinen eigenen Kurs gesteuert, mittels einer Kombination aus Koppelnavigation und häufigen Sternmessungen.
    Der Kapitän war inzwischen so krank, dass er die Ibis nicht verlassen konnte, also fiel es Zachary zu, die Geschäfte der Schiffseigner auf der Insel zu besorgen; unter anderem musste dem Besitzer einer Plantage etwa sechs Meilen von Port Louis entfernt ein Brief überbracht werden. Zachary wollte gerade mit dem Brief an Land gehen, als er von Serang Ali abgefangen wurde.
    »Malum Zikri krik Masse Erger, wenn so geh Por Lui.«
    »Warum? Was soll denn sein?«

    »Malum luk-luk.« Serang Ali trat zurück und musterte Zachary kritisch von Kopf bis Fuß. »Kleid nix gut.«
    Zachary trug seine Arbeitskleidung – Segeltuchhosen und den üblichen weiten Matrosenkittel, der in diesem Fall aus Osnabrücker Leinwand war. Nach den vielen Wochen auf See war er unrasiert, und seine schwarzen Locken starrten von Fett, Teer und Salz. Aber nichts davon kam ihm ungebührlich vor, schließlich wollte er nur einen Brief überbringen. Er zuckte die Achseln. »Na und?«
    »Malum Zikri geh so Por Lui, komm nix wieder«, sagte Serang Ali. »Zu viel Presspatrull in Por Lui. Zu viel Leut will fang Sklav. Malum schanghai, mach Sklav, immer schlag mit Peitsch. Nix gut.«
    Das machte Zachary nachdenklich. Er ging in seine Kabine zurück und sah sich die Besitztümer genauer an, die ihm durch den Tod des einen und die Flucht des anderen Steuermanns zugefallen waren. Einer der beiden war eine Art Dandy gewesen, und in seiner Seekiste waren so viele Kleider, dass Zachary in Entscheidungsnöte geriet: Was passte wozu? Was war das Richtige für welche Tageszeit? Es war gut und schön, andere in solchen Ausgehsachen zu sehen. Aber sie selber tragen?
    Auch hier kam ihm Serang Ali wieder zu Hilfe: Es stellte sich heraus, dass es unter den Laskaren viele gab, die neben der Seefahrt auch noch andere Handwerke beherrschten: einen Schlachter, der einmal als Kammerdiener bei einem Schiffseigner gearbeitet hatte, einen
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