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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz
Autoren: Dru Pagliassotti
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Arbeit, ja jegliche Form von Handarbeit war in einem solchen Gewand schlicht unmöglich.
    Das lange, schwarze Haar hatte man zu verschnörkelten Zöpfen geflochten und in einem komplizierten Arrangement auf dem Kopf aufgetürmt, das von Goldornamenten und langen, juwelengeschmückten Nadeln zusammengehalten wurde. Wie schon die Robe, so sollte auch diese Haartracht jede hastige oder schnelle Bewegung verhindern.
    Dann war da noch die Ebenholzmaske, die jegliche Individualität der Gesichtszüge verschwinden ließ, deren glattes Oval gerade einmal schmale, eingelassene Augenschlitze aufwies und einen Höcker, dessen winzige Luftlöcher minimalen Platz zum Atmen boten. Ohne Mund, ohne Verzierungen war diese Maske, nur die goldenen Wellen auf den Wangen deuteten auf die Kaste des Trägers hin – als könnte man jemanden in diesem Aufzug für etwas anderes als einen Erhabenen halten.
    Taya zitterte vor Unruhe. Dicht neben ihr hatte sich die kleine Jessica hinter den Röcken ihrer Mutter versteckt, und selbst die beiden älteren Brüder des Mädchens verhielten sich ungewöhnlich still.
    „Ist das wirklich Meister Uhri?“ Jessica zupfte an der Hand ihrer Mutter. „Ich habe Angst!“
    Ann, die Mutter, strich der Kleinen beruhigend über das Haar.
    „Das geht so, Erhabener?“, fragte sie ängstlich. „Findet Ihr meine Arbeit zufriedenstellend?“
    Cristof hob die Arme, trotzdem blieben die Ärmel lang genug, um die Hände zu verdecken.
    „Wartet, ich mache das.“ Taya stand auf und hielt die Maske mit einer Hand fest, während sie mit der anderen an den Seidenbändern zog, mit der das Ebenholzoval an Cristofs Kopf befestigt war. Die Maske fühlte sich glatt und unnatürlich an. Taya war erleichtert, als sie die Bänder gelöst hatte und die Maske auf den Werkstisch legen konnte.
    Cristof massierte sich die Stirn, wo die Polsterung unter dem Ebenholz eine Druckstelle hinterlassen hatte. Er nickte seiner Nachbarin zu.
    „Die Perücke ist fabelhaft, sehr überzeugend“, sagte er. „Sie wird ihren Zweck gut erfüllen.“
    „Das freut mich!“ Strahlend trat Ann vor, um die Nadeln aus dem Haar zu ziehen, die ihr Kunstwerk auf Cristofs Haupt festhielten. „Dann packe ich sie in eine Schachtel und schicke sie zum Anwesen, ja? Wissen Eure Dienstboten auch, wie sie sie zu pflegen haben?“
    „Du kommst wohl lieber mit hoch und zeigst es ihnen. Deine Familie könnte doch mit uns zusammen zu Abend essen.“
    „Oh.“ Das Strahlen erlosch. „Das wäre nicht recht. Gehört sich das denn? Was werden die Leute sagen?“
    „Sei nicht albern“, entgegnete Cristof bestimmt. „Seit wann schert es mich, was andere Erhabene denken?“
    „Mit den Leuten meint sie ihre eigene Kaste.“ Taya setzte Cristof die Brille auf. „Anns Familie genießt einen guten Ruf, und ein Abendessen mit jemandem wie Euch ...“
    „Nein, Taya, sag doch bloß so was nicht!“ Ann war knallrot geworden. Ihre beiden Söhne lachten. „Wir haben doch bloß nichts Feines zum Anziehen und ...“
    „Mir ist egal, was ihr anzieht.“ Cristof versuchte, seine Ärmel so weit nach oben zu schieben, dass er die Bänder der Robe aufknüpfen konnte, aber vergeblich: Immer wieder fiel ihm der schwere Stoff über die Hände. „Ich will nicht, dass mir irgendeine inkompetente Dienerin eine Nadel durch den Schädel bohrt, weil du nicht da warst, um ihr zu zeigen, wie es richtig geht. Ich schicke dir morgen abend eine Droschke. Zieh einfach an, was du heute trägst, das ist in Ordnung. Du, dein Mann, die drei ekelhaften Bälger ...“
    „Tragt Ihr dann auch diese albernen Roben?“, fragte der jüngste Sohn.
    „... vielleicht lieber doch nur zwei Bälger und Taya. Es wird kein formelles Essen.“
    „Na ja ...“ Ann warf Taya einen zögernden Blick zu, die ihr ermutigend zunickte, während sie, da Cristof selbst dazu ja nicht in der Lage war, die Schleifen an seiner Robe aufband. „Wenn es Euch ernst ist, wäre es uns eine große Ehre, Erhabener!“
    „Es ist mir vollkommen ernst.“
    Taya freute sich. Sie wusste, dass sich Cristof in Primus nicht wohlfühlte, auch wenn er das nie zugeben würde. Die anderen Erhabenen behandelten ihn zum großen Teil mit ängstlichem Misstrauen, man munkelte von schlechtem Blut in der Familie der Forlore. Cristof brauchte dringend die Gesellschaft seiner wenigen Freunde.
    Seit sie Kyle aus den Händen seiner Entführer gerettet und den Prototyp der neuen analytischen Maschine zurückerobert hatten, waren zwei Monate
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