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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz
Autoren: Dru Pagliassotti
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Gut, dass ihre Hand in einem dicken Handschuh steckte – das Metall war sicher eiskalt. Normalerweise liebte Taya das Fliegen, aber die Windböen heute waren wirklich die schlimmsten, die sie seit ...
    Erneut ging ein heftiger Ruck durch den Träger, begleitet vom hohen, spitzen Schrei eines bis zum Zerreißen gespannten Metallkabels. Das Geräusch war so laut, dass es selbst den tosenden Wind und das frenetische Summen der Kabel übertönte. Aufgeschreckt hob Taya den Kopf.
    Da! Nicht weit von ihr entfernt schien einer der Träger der Drahtfähre in der Luft zu hängen, bog sich gefährlich unter der Last einer näherkommenden Gondel. Zahnräder knirschten, drehten sich wie wild, Metallkabel lockerten sich, rutschen aus den Halterungen, während sich der Träger immer weiter neigte.
    Taya sprang auf, wobei sie sich prompt den Kopf an einer niedrigen Metallstrebe stieß. Sie sah sich um. Erkannte denn niemand außer ihr die Gefahr?
    Doch! Auch die für die Drahtfähre zuständigen Arbeiter einer nahe gelegenen Station waren von dem lauten Kreischen des reißenden Metalls alarmiert worden und kamen herbeigerannt, waren aber viel zu weit entfernt, um den Menschen in der gefährdeten Kabine beistehen zu können.
    Die Menschen in der Kabine!
    „Oh, Herrin“, ächzte Taya, löste hastig ihre Sicherheitsleine und stopfte sie zurück in ihr Geschirr. In ihrem Kopf schrie der rationale Teil ihres Hirns laute Warnungen, flehte sie an, sich nicht in ein waghalsiges Flugabenteuer zwischen fallenden Türmen und reißenden Kabeln zu stürzen – während ein anderer Teil bereits tief aus den hintersten Windungen ihres Gedächtnisses die Erinnerung an die Luftrettungsmanöver ihrer Ausbildungszeit hervorkramte, Windrichtung, Höhe des anvisierten Ziels und den optimalen Anflugwinkel berechnete und überlegte, welche Last ihr Fluggeschirr aus Ondium zusätzlich zu Tayas eigenem Gewicht noch verkraftete.
    Mit wild klopfendem Herzen schob Taya die Arme in die Flügelhalterungen und ging erneut in die Hocke.
    Es musste sein. Schon zog ihr Geschirr sie empor, zum Abheben bereit. Ondium, leichter als Luft, wollte heben und tragen, zerrte am Gewicht von Tayas geschmeidigem, kompakten Leib. Taya rutschte herum, bis sie den Kopf in den Wind halten konnte, und warf sich in die Luft, stieß sich mit den Stiefeln am Träger ab, um zusätzlichen Schwung zu bekommen.
    Metallverstrebungen schossen an ihr vorbei. Erst als sie die Stützkonstruktion hinter sich gelassen hatte, konnte sie die Arme weit ausbreiten, die Metallflügel zur vollen Breite spreizen und einhaken.
    Sie senkte die Arme. Breite Ondiumfedern schlossen sich, trugen sie hoch zur gefährdeten Gondel. Taya trat ihr Schwanzgefieder nach unten und schlüpfte mit den Knöcheln hinter die Stange, an der es befestigt war. Eine Windböe riss an ihr, und sie ritt darauf empor, schlug erneut mit den Flügeln, als die Böe unter dem Ansturm einer entgegengesetzten, zwischen den Trägern hervorschießenden Windströmung gebrochen wurde.
    Erneut kreischte Metall auf, dicke Kabel rissen mit lautem Knall.
    Die Zeit lief ihr davon! Taya schoss hoch hinauf, über die Kabine hinweg, um sich ein genaueres Bild von der Lage zu verschaffen. Drinnen klammerten sich zwei Fahrgäste an die Ledersitze, ein Erwachsener und ein Kind. Der Erwachsene trug lange Roben und eine Maske. Ein Erhabener.
    „Oh, Schrott!“ Verzweifelt drehte sich Taya in der Luft. Konnte denn niemand sonst helfen? Inzwischen kletterten Ingenieure am geborstenen Träger empor, aber die Handzeichen, mit denen sie sich untereinander verständigten, machten nur allzu deutlich, dass sie nicht nahe genug an der Unfallstelle waren, um irgendwie von Nutzen sein zu können. Eine zweite Gruppe versuchte, den Träger durch Stützkabel zu sichern, um zu verhindern, dass er auf die gut dreißig Meter tiefer liegende Straße stürzte, aber das würde den Passagieren in der Kabine nicht helfen, wenn das Kabel ihrer Gondel riss.
    Rette immer nur einen auf einmal,rief sich Taya ihre alten Instruktionen ins Gedächtnis. Eiskalt drosch der Wind auf ihre Wangen ein, während ihr der Schweiß aus dem Haaransatz ins Gesicht troff. Konzentriere dich immer nur auf eine Person.
    In weitem Bogen flog sie zurück zur Gondel, setzte zum Bremsen an. Trat den Schwanzansatz herunter, legte die Flügel zusammen, zog die Füße unter der Schwanzstange hervor.
    Ihr Schwung sowie eine heftige Böe sorgten dafür, dass sie mit Wucht seitlich gegen die Kabine
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