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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz
Autoren: Dru Pagliassotti
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Kind, das sich verkleidet hatte, als einem vollwertigen Mitglied der herrschenden Klasse. Ein Blick in die ruhigen, dunklen Augen über dem Schleier aber genügte: Taya wusste, dass die Frau ihre Fassung und damit auch ihre Würde bereits wiedergefunden hatte. „Stellst du mir bitte deinen Freund vor?“
    „Er heißt Pyke, Erhabene. Er hat uns die Sicherheitsleine zugeworfen.“
    „Zu Euren Diensten!“ Auch Pyke legte die Hand an die Stirn, aber seine Verbeugung fiel eher nachlässig aus, und Taya musste ihn erst wütend anfunkeln, ehe er hinzufügte: „Erhabene.“
    „Auch dir danke ich für deine Hilfe, Pyke Ikarus.“ Viera sah auf. Neugierig folgte Taya ihrem Blick.
    Der Pfeiler war umgeknickt und eingestürzt. Die verbogenen Metallstreben schwebten, in den Drahtseilen der Fähre gefangen, bedrohlich über dem Boden, als seien sie in ein riesiges Metallnetz verstrickt. Die Kabine war in die Flanke eines der Stationstürme gekracht und nur noch ein Gewirr aus Trümmern. Ein paar Längsstreben aus Ondium waren nach oben getrieben und hingen nun ebenfalls im Kabelnetz.
    „Schrott“, hauchte Pyke erschüttert. „Du schuldest der Herrin ein paar Kerzen, Taya. Zünde sie gleich am nächsten Feiertag an.“
    „Klar“, murmelte Taya, die die zertrümmerte Gondel mit weit offenem Mund anstarrte.
    „Erhabene, wenn Ihr mir bitte folgen würdet?“, bat einer der Liktoren. „Ich führe Euch zur Station. Dorthin bringen wir auch Euren Sohn, und Euren Mann verständigen wir per Flaggensignal von den Vorkommnissen.“
    „Gut. Wir reden noch miteinander, Taya Ikara. Das Haus Octavus vergisst dir den Dienst nie, den du ihm heute erwiesen hast.“ Ehe Viera sich wegführen ließ, berührte sie Tayas Flügel. Taya sah ihr voller Bewunderung für den Mut und Elan dieser Frau nach. Gut – sie war eine Erhabene. Vielleicht würde es Taya nach ein paar tausend Wiedergeburten ja auch möglich sein, gleich nach einer Nahtoderfahrung so ruhig und selbstsicher aufzutreten.
    „Entschuldigt“, wandte sich ein anderer Liktor höflich an Pyke und Taya, aber lange nicht so ehrerbietig wie eben sein Kollege der Erhabenen gegenüber. „Ich brauche von jedem von euch einen Bericht über den Verlauf der Ereignisse.“ Der Mann war groß, blass und blond, von der Abstammung her also Demikaner, was Taya wusste, auch ohne seinen Akzent zu analysieren. Der auf eine Wange tätowierte Liktorenstreifen wies ihn allerdings als vollwertigen Bürger Ondiniums aus.
    „Ich kann nicht viel sagen.“ Taya hatte die Handschuhe ausgezogen und lockerte gerade die obersten Knöpfe ihres Fliegeranzugs. „Bis zu dem großen Krach, als der Stützpfeiler nachgab, habe ich nichts gehört oder gesehen.“
    „Wir müssen sämtliche Zeugen befragen, so ist es Vorschrift“, erwiderte der Liktor. „Ihr werdet also mit mir kommen, Ikarier.“
    „Na gut.“ Taya fügte sich, wenn auch ungern. Mit einem Liktoren zu diskutieren, noch dazu mit einem aus Demikus, war absolut zwecklos. Sturheit gehörte zu den wichtigsten Auswahlkriterien für die Kaste der Liktoren.
    Pyke war da nicht so nachgiebig. „Wieso müsst ihr uns befragen?“, protestierte er. „Wir haben schließlich nichts Falsches getan.“
    „Komm schon, Pyke“, drängte Taya. „Je eher wir unsere Aussage gemacht haben, desto schneller sind wir hier weg.“
    „Das ist doch einfach nur Schikane! Wir sind unschuldig – warum müssen wir befragt werden?“
    Taya verdrehte die Augen.
    „Der Mann tut nur seine Arbeit, Pyke! Außerdem bin ich sicher, dass noch nie jemand verprügelt oder einer Gehirnwäsche unterzogen wurde, weil er eine Erhabene gerettet hat.“
    „Man weiß nie“, sagte Pyke finster. „Octavus ist ein Dekatur.“
    „Ich weiß.“ Der Name Octavus gehörte zu den vielen, die Taya bei ihren Vorbereitungen auf die Examina für den diplomatischen Dienst auswendig gelernt hatte. „Na und?“
    „Na und? Kannst du dir nicht denken, was das heißt?“ Pyke warf ihr einen vielsagenden Blick zu. „Der Rat!Glaubst du, es war Zufall, dass ausgerechnet die Kabine abstürzte, in der die Frau eines Ratsmitglieds saß?“
    „Oh Herrin, lass mich in Ruhe mit deinen Verschwörungstheorien!“ Taya packte Pyke am Arm und zog. „Komm, lass uns gehen.“
    Aber Pyke rührte sich nicht vom Fleck. „Es könnte ein militärisches Komplott sein. Vielleicht wollen sie sämtliche Zeugen aus dem Weg räumen!“
    „Pyke! Ich bin müde und muss noch auf eine Hochzeit. Lass uns die Fragen
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