Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Das Marmorne Paradies: METRO 2033-Universum-Roman (German Edition)
Autoren: Sergej Kusnezow
Vom Netzwerk:
auftauchte.
    »Und ich dachte schon die ganze Zeit …«
    Max warf ihm einen wütenden Blick zu.
    Der andere war sichtlich verwirrt und setzte eine komischerschrockene Miene auf.
    »Verzeihen Sie!«, flüsterte er. »Aber ich grüble schon die ganze Zeit darüber, wie es wohl meinem ehemaligen Mitarbeiter geht, hoffentlich besser … Deshalb bin ich gekommen, ich wollte mich selbst erkundigen …«
    Sergej war bleich geworden. Ohne Eduard Georgijewitsch zu beachten, sagte er im selben Flüsterton zu Max: »Weißt du was, es gab mal einen Menschen, mit dem habe ich früher zusammengearbeitet … Ich habe ihn sehr geachtet, ihm vertraut. Aber in dieser Welt gelingt es nicht jedem, ein Mensch zu bleiben …«
    Wosnizyn verschwand. Für immer.
    Max machte ein nachdenkliches Geräusch. »Das war’s dann wohl, oder? Das Abenteuer ist vorbei.«
    »Nein.« Sergej schüttelte den Kopf. »Ich muss … Ich muss noch etwas erledigen.«
    Wieder deckte er seinen schlafenden Sohn mit der Wolldecke zu, die dieser soeben zur Seite geworfen hatte, streichelte ihm über die verschwitzten, zerzausten Haare und flüsterte: »Alles in Ordnung, mein Sohn … Alles wird gut.«
    Denis seufzte und lächelte im Schlaf.

EPILOG
    Sie stand an ihrem Platz – unverrückbar, ewig, ihrem Aussehen und ihrer Erhabenheit nach einem antiken Tempel ähnlich.
    Die Leninka. Die große Bibliothek.
    Über den aufgeplatzten schwarzen Asphalt trieben Schneeflocken dahin, eisige Schwaden zogen über den niedrigen Himmel. Für einen kurzen Augenblick blitzte der Mond zwischen den dicken, wattigen Wolken hervor. Die Häuser rund um die Bibliothek waren tot, trocken wie hart gewordene, schimmelige Brotlaibe. Nicht weit entfernt stand der bis an die Zähne bewaffnete Max und gab seinem Freund Deckung.
    Sergej stand unbewaffnet vor ihr, in einem abgerissenen Strahlenschutzanzug. Die Brillengläser der primitiven Atemschutzmaske waren vor Aufregung beschlagen, aber er konnte dennoch alles sehen.
    Es war zur Mittagszeit an einem Maitag. Die Sonne schien sanft. Kinder, ein Eiskiosk, Zeitungsverkäufer. Zarte, schwerelose Wölkchen standen am azurblauen Himmel. Die Fassade der Bibliothek warf einen Schatten, der Asphalt erstrahlte im Sonnenlicht. Studentinnen umschwärmten den
nachdenklichen alten Dostojewski auf seinem steinernen Thron.
    Polina im leichten Sommerkleid mit einer schicken Sonnenbrille.
    Ihr Lächeln.
    Ich habe mein Versprechen erfüllt, flüsterte Sergej ihr zu. Ich erinnere mich an alles. Und ich werde mich immer erinnern.
    »Danke« sagte er heiser zu Max. »Danke, mein Freund. Jetzt ist es gut. Auf nach Hause.«
     
     
    Es vergingen weitere zwei Wochen.
    Denis kam allmählich zu Kräften. Für den nächsten Tag war geplant, dass er wieder in die Schule gehen sollte. Er hatte schon mehrere Freunde an der Station gefunden, mit denen er stundenlang verschwand, ehe er glücklich und hungrig nach Hause zurückkehrte.
    Sergej fühlte sich ausgezeichnet. Eine medizinische Untersuchung hatte ergeben, dass er fast völlig gesund war. Für einen gut über Vierzigjährigen geradezu erstaunlich gesund. Die Leitung der Station hatte versprochen, eine Arbeit für ihn zu finden.
    Max sahen sie fast nie. Er war die ganze Zeit irgendwo unterwegs. Aber eines Tages, nach dem Mittagessen, als Sergej und Denis mit gebeugten Köpfen vor einem alten Mathematik-Lehrbuch saßen und über einer Aufgabe schwitzten, schaute Max zu ihnen ins Zelt.
    »Ah, ihr seid zu Hause, ausgezeichnet! Kommt mit, ich will euch jemanden vorstellen.«
    Das Zelt, das sie betraten, war geräumig.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Sergej.
    »Bei mir zu Hause«, entgegnete Max.
    Im trüben Licht einer Petroleumlampe erblickte Sergej eine schmale Gestalt, die am Tisch saß, den Kopf über ein Buch geneigt.
    »Marina«, rief Max.
    Die Gestalt wandte sich um und erwies sich als ungewöhnlich hübsches Mädchen von zehn oder elf Jahren, mit grünen, ernst dreinblickenden Augen und einer Stupsnase.
    »Darf ich vorstellen: Das sind meine Freunde, Serjoscha und Denis. Und das ist meine Tochter Marina.«
    Denis erkannte in Marina augenblicklich das Mädchen aus seinen Träumen wieder. Nur Sommersprossen hatte sie keine. Allerdings hatte der Frühling ja auch noch nicht angefangen.
    Er hatte das Gefühl, dass sie ihn ebenfalls erkannte.
    »Hallo«, sagte das Mädchen. Sie hatte eine klare, klangvolle Stimme. »Freut mich sehr. Kommt doch rein und setzt euch! Ich mache uns Tee.«
    Sie tranken Tee, aßen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher