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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman
Autoren: Kathleen McGowan
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setzte wieder sein weises, rätselhaftes Lächeln auf. »Ich sagte: Auf Wiedersehen, my dear .« Und er winkte Maureen zum Abschied zu.
    Sie erwiderte die Geste und trat erneut ins harte Licht der Sonne hinaus.

    Maureen kehrte zur Via Dolorosa zurück, wo sie die achte Station genau an der Stelle fand, zu der Mahmut sie gewiesen hatte. Aber sie war beunruhigt und konnte sich nicht konzentrieren; nach ihrer Begegnung mit dem Ladenbesitzer war ihr irgendwie seltsam zumute. Als sie ihren Weg fortsetzte, kam ihr früheres Schwindelgefühl zurück, stärker diesmal, bis zur Desorientierung. Es war ihr erster Tag in Jerusalem, und ohneZweifel litt sie noch unter den Folgen der Zeitverschiebung. Der Flug von Los Angeles war lang und anstrengend gewesen, und in der Nacht davor hatte sie nicht viel geschlafen. Aber ob es nun eine Mischung aus Hitze, Erschöpfung und Hunger war oder etwas Unerklärliches: Was als Nächstes geschah, lag vollkommen außerhalb ihres Erfahrungshorizonts.
    Maureen fand eine Steinbank und ließ sich darauf nieder, um sich ein wenig auszuruhen. Als ein erbarmungsloser Blitz von Sonnenlicht sie traf, brachte eine erneute, unerwartete Welle der Benommenheit sie zum Wanken und schickte ihre Gedanken auf Reisen.
    Plötzlich fand sie sich inmitten eines Mobs wieder. Überall um sie herum herrschte Chaos. Die Menschen schrien und stießen einander an. Maureen war noch genug von ihrem modernen Verstand geblieben, um zu bemerken, dass die sie umschwärmenden Gestalten grobe Kleider aus handgewebten Stoffen anhatten. Jene, die Schuhe hatten, trugen primitive Sandalen; das bemerkte Maureen, als ihr jemand auf die Füße trat. Die meisten waren Männer, bärtig und verdreckt. Die allgegenwärtige Sonne des Frühnachmittags brannte auf sie hinab, und Schweiß mischte sich mit dem Dreck auf den wütenden und gequälten Gesichtern rings um sie herum. Maureen befand sich am Rand einer schmalen Straße, und die Menge vor ihr geriet in Bewegung. Eine Gasse bildete sich, und eine kleine Gruppe trat langsam durch sie hindurch. Der Mob schien dieser Gruppe zu folgen. Als die sich bewegende Masse näher kam, sah Maureen zum ersten Mal die Frau.
    Sie wirkte wie eine einsame, stille Insel inmitten des Chaos, und sie war eine der wenigen Frauen in der Menge – doch das war es nicht, was sie anders machte. Es war ihr Auftreten: eine edle Haltung, die sie trotz des Drecks an ihren Händen und Füßen als Königin kennzeichnete. Sie sah ein wenig zerzaust aus. Das glänzende rötlich braune Haar hatte sie teilweise hinter einem purpurroten Schleier verborgen, der die untere Hälfteihres Gesichts bedeckte. Maureen wusste instinktiv, dass sie zu dieser Frau gelangen und Verbindung zu ihr aufnehmen musste; sie musste sie berühren, mit ihr sprechen … Aber die wimmelnde Menge hinderte sie daran, und sie bewegte sich mit der trägen Langsamkeit eines Traumzustands.
    Während sie sich weiter in Richtung der Frau vorkämpfte, war Maureen mehr und mehr von der beinahe schmerzhaften Schönheit des Gesichts hingerissen, das sich just außerhalb ihrer Reichweite befand. Die Frau besaß eine feine Knochenstruktur; ihre Züge waren erlesen und zart. Doch es waren ihre Augen, die Maureen noch lange nach der Vision verfolgen sollten. Die Augen der Frau, groß und glänzend von unvergossenen Tränen, besaßen eine Farbe irgendwo zwischen Bernstein und Salbei, ein außergewöhnliches helles Haselnussbraun, in dem sich auf herzzerreißende Art unendliche Weisheit und unerträgliches Leid miteinander verbanden. In einem kurzen und doch unendlichen Augenblick traf sich der seelenverschlingende Blick der Frau mit Maureens, und diese unvergleichlichen Augen vermittelten ein aus vollkommener Verzweiflung geborenes Flehen.
    Du musst mir helfen.
    Maureen wusste, dass die Bitte an sie gerichtet war. Sie war wie in Trance, erstarrt, als sich ihr Blick mit dem der Frau kreuzte. Der Moment endete, als die Frau plötzlich zu dem jungen Mädchen hinunterschaute, das drängend an ihrer Hand zupfte.
    Das Kind blickte mit großen haselnussbraunen Augen hinauf, die denen seiner Mutter glichen. Hinter ihr stand ein Junge, älter und mit dunkleren Augen als das kleine Mädchen, aber offensichtlich der Sohn dieser Frau. Maureen wusste in jenem unerklärlichen Moment, dass sie der einzige Mensch war, der dieser fremden, leidenden Königin und ihren Kindern helfen konnte. Eine Welle von Verwirrung und etwas, das einer überwältigenden Trauer gleichkam, brach ob
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