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Das Maedchen von Atlantis

Das Maedchen von Atlantis

Titel: Das Maedchen von Atlantis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Woge, die keinen wirklichen Schaden
mehr anrichtete. Die LEOPOLD tanzte noch immer
auf dem Wasser wie ein Korken, nicht wie ein
Schlachtschiff, das Zehntausende von Tonnen wog.
Aber die eigentliche Gefahr war vorüber.
Das unheimliche Feuer in Serenas Augen war erloschen. Sie saß auf dem Boden, den Kater auf dem
Schoß, der sich trotz seiner Verletzung zu ihr hingeschleppt hatte, und ihre Augen waren nun wieder so
glanzlos und stumpf wie zuvor. Ihre rechte Hand lag
zwischen den Ohren des Katers und kraulte langsam
sein Fell. Aber die Gefahr war vorbei. Der Dämon, der
in Serena erwacht war, hatte sich wieder zurückgezogen. Und ganz plötzlich begriff Mike, daß seine Vermutung richtig gewesen war: Der Kater schützte nicht das
Mädchen vor der Welt. Sondern die Welt vor dem
Mädchen.
Das hat verdammt lange gedauert, bis du das kapiert
hast, sagte Astaroth. Seine Gedankenstimme klang
schon wieder ein wenig spöttisch. Offensichtlich erholte er sich genauso schnell wieder von seiner Verwundung wie das erste Mal.
Mike kam nicht dazu, ihm zu antworten, denn er gewahrte plötzlich aus den Augenwinkeln heraus eine
Bewegung, und als er aufsah, blickte er direkt in Winterfelds Gesicht. Hinter ihm kamen Trautman und Arronax heran, beide begleitet von Winterfelds Soldaten.
Aber auf den Gesichtern dieser Männer war keine
Feindseligkeit mehr zu lesen. Nur eine Furcht, die
vielleicht nie wieder völlig daraus weichen würde.
»Du hast es geschafft«, sagte Winterfeld. Er sah Mike
an, dann den Kater und schließlich das Mädchen. »Du
hast uns allen das Leben gerettet!«
»Das war nicht ich«, antwortete Mike. »Bedanken Sie
sich bei ihm.« Er deutete auf Astaroth. Winterfelds
    Blick folgte seiner Geste, aber er wirkte nicht überrascht, sondern zutiefst erschüttert.
»Und was haben Sie jetzt vor?« fragte Arronax.
Winterfeld drehte sich zu Arronax und Trautman herum. Er deutete auf die NAUTILUS, die neben dem
Schiff auf dem Meer trieb.
»Gehen Sie«, sagte er. »Nehmen Sie Ihre Leute und
die Jungen, und fahren Sie nach Hause.«
»Sie lassen uns gehen?« fragte Trautman. Seine Stimme klang erleichtert - aber auch ein wenig mißtrauisch.
»Ja«, bestätigte Winterfeld. Dann wandte er sich an
Mike. »Bitte geh«, sagte er noch einmal. »Bring das
Mädchen zurück. Ich lasse Arronax die Unterlagen
zurückgeben. Vielleicht findet ihr einen Ort, an dem
Serena sicher vor der Welt ist.« Und die Welt vor ihr, fügte sein Blick hinzu. Er sprach es nicht aus, aber
Mike las die Worte deutlich in seinen Augen. Er hatte
niemals zuvor einen Menschen gesehen, der so tief erschüttert gewesen wäre wie Winterfeld in diesem Moment.
Wird sie ... ruhig bleiben? fragte er lautlos, und Astaroth antwortete auf demselben, lautlosen Weg: Solange
ich bei ihr bin, ja.
»Sie lassen uns wirklich gehen?« vergewisserte sich
Trautman. »Das ist keine Finte?«
»Ich gebe Ihnen zweiundsiebzig Stunden«, antwortete
Winterfeld. »Das
sollte reichen, Arronax und
seine
Mannschaft an Land zu bringen und zu verschwinden.
Zweiundsiebzig
Stunden, Trautman,
keine weniger,
aber auch keine mehr.« Er deutete auf Mike. »Dieser
Junge da hat mir und jedem Mann an Bord
dieses
Schiffes das Leben gerettet. Dafür lasse ich euch laufen. Aber danach sind wir quitt. Wenn wir uns das
nächste Mal sehen, sind wir Feinde.«
    »Es wird kein nächstes Mal geben«, sagte Trautman
leise. Winterfeld schwieg, und auch Mike wußte, daß
er sich irrte. Während er aufstand und Serena behutsam bei der Hand ergriff, um sie über das Deck der
LEOPOLD dorthin zu führen, wo die NAUTILUS darauf wartete, Serena in ihre kalte, dunkle Heimat unter den Meeren zurückzubringen, wußte er, daß sie
sich wiedersehen würden.
Vielleicht nicht hier, und vielleicht nicht auf eine
Weise, die sie sich jetzt schon vorstellen konnten, und
vielleicht sogar an einem Ort, von dem sie keine Ahnung hatten, daß er existierte, aber sie würden sich
wiedersehen.
    Wolfgang Hohlbein, geboren in Weimar,
lebt heute mit seiner Familie in
der Nähe von Düsseldorf. Für sein
Erstlingswerk »Märchenmond«, ein
phantastischer Roman, den er
gemeinsam mit seiner Frau Heike
schrieb, erhielt er 1982 den ersten
Preis des vom Verlag Ueberreuter
veranstalteten Wettbewerbs zum
Thema Science Fiction und Phantasie.
Außerdem erhielt dieser Titel 1983 den
»Phantasie-Preis der Stadt Wetzlar«
und den »Preis der Leseratten«.
    Von Wolfgang und Heike Hohlbein
erschienen:
Märchenmond
Märchenmonds
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