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Das Maedchen von Atlantis

Das Maedchen von Atlantis

Titel: Das Maedchen von Atlantis
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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anderen so einfach nach Andara-House
zurückkehren konnten, als wäre nichts geschehen.
Und was die NAUTILUS betraf ...
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Tür
geöffnet wurde. Juan steckte den Kopf herein.
»Wo bleibst du?« fragte er. »Wir warten schon alle auf
dich.« Er trat in die Kabine und legte Mike die Hand
auf die Schulter. »Es tut weh, nicht wahr?«
Seine
Stimme war leise und mitfühlend.
Juan war trotz seiner Jugend ganz das, was man sich
unter dem klassischen stolzen spanischen Edelmann
vorstellte. Daß er jemandem kameradschaftlich die
Hand auf die Schulter legte, war beinahe undenkbar.
Mike wußte diesen Freundschaftsbeweis durchaus zu
schätzen. Trotzdem nickte er nur stumm. Was hätte
er auch schon sagen sollen? Der Abschied tat wirklich
weh. In den letzten Wochen hatten er und seine Freunde mitgeholfen, defekte Aggregate zu reparieren, und
gelernt, wie man viele der Maschinen bediente. Sie
hatten hier geschlafen, gelacht, gegessen und wilde
Pläne gesponnen, und zumindest für Mike war das
Schiff in dieser Zeit mehr zu einer Heimat geworden,
als es Andara-House, das Internat, ja selbst das Anwesen seines Vormunds in Indien je gewesen waren.
Es war einfach nicht fair, dachte er, daß er all dies
nun aufgeben mußte. Natürlich hatte er von Anfang
an gewußt, daß sie nur eine begrenzte Zeit hier verbringen würden, Trautman hatte an seinen diesbezüglichen Plänen von Anfang an keinen Zweifel gelassen.
Aber Mike hatte jeden Gedanken daran, was nach ihrer Rückkehr nach England geschehen würde, weit
von sich geschoben. Und nun war es plötzlich da.
»Es ist... nicht fair!« sagte er mit schwankender Stimme. »Es ist einfach nicht gerecht!«
»Nein, das ist es nicht«, bestätigte der junge Spanier.
»Und das hat auch niemand behauptet. Aber es ist das
einzig Vernünftige. Du selbst hast schon auf der Vergessenen Insel eingewilligt, daß die NAUTILUS zerstört wird. Ich kann mir vorstellen, wie dir zumute
ist, aber trotzdem ...«
Auf der Vergessenen Insel, dem Versteck der NAUTILUS, war sie für ihn nur ein Mythos gewesen, der unvermutet Wirklichkeit geworden war. Er hatte damals
keinerlei persönliche Beziehung zu diesem Schiff gehabt, sondern es nur als das gesehen, was es im Grunde auch war: ein phantastisches Fahrzeug und eine
gefährliche Waffe, die ungeheuren Schaden anrichten
konnte, wenn sie in die falschen Hände fiele.
Und diese Gefahr hatte damals durchaus bestanden:
Kapitän Winterfeld von der kaiserlich-deutschen
Kriegsmarine hatte gewissermaßen schon seine Hände nach der NAUTILUS ausgestreckt. Vor die Wahl
gestellt, ihm das Schiff zu überlassen oder es zu zerstören, war es Mike vergleichsweise leicht gefallen,
sich für letzteres zu entscheiden. Aber jetzt sah die
Sache entschieden anders aus. Sie waren Winterfeld
entkommen.
Andererseits war Mike klar, daß der Kapitän die Suche nach ihnen mit Sicherheit nicht aufgegeben hatte, dafür hatte er viel zu viel riskiert, um in den Besitz der NAUTILUS zu gelangen. Über kurz oder lang
würden sie ihm wieder begegnen - und ob es ihnen
noch einmal gelingen würde, ihn hinters Licht zu
führen, war mehr als fraglich. Winterfeld war rücksichtslos und gefährlich und alles andere als dumm.
»Ich könnte heulen bei dem Gedanken, daß Trautman
dieses wunderbare Schiff zerstören wird, sobald wir
von Bord gegangen sind«, sagte er.
»Ich weiß«, antwortete Juan ernst. »Meinst du, mir
geht es anders?«
Überrascht sah Mike den jungen Spanier an. Juan
war schon immer ein Einzelgänger gewesen, der jeder
Situation mit Vernunft begegnete. Nur wer ihn wirklich kannte, konnte ermessen, wie schwer ihm ein
Eingeständnis wie dieses fallen mußte.
»Aber es geht nun einmal nicht anders«, fuhr Juan
fort. »Trautman hat gut eineinhalb Jahrzehnte damit
verbracht, die NAUTILUS zu bewachen. Sie ist sein
Lebensinhalt. Glaubst du, er würde sie vernichten,
wenn er irgendeine andere Möglichkeit sähe?«
Widerstrebend nickte Mike - es nutzte nichts, mit
dem Schicksal zu hadern. Die Dinge waren nun einmal, wie sie waren. »Du hast recht«, murmelte er und
straffte sich. »Gehen wir.«
An der Tür verharrte er noch einmal und ließ seinen
Blick durch die Kabine schweifen, die er niemals
wiedersehen würde. Die letzten sieben Monate waren ...
Nein, es gab keine Worte, um es zu beschreiben. Das
große Abenteuer seines Lebens. Aber nun war es vorbei, und vielleicht sollte er versuchen, seinen Schmerz
darüber nicht übermächtig werden zu lassen, um
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