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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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Lippen. Was für eine dumme Frage!
    «Dein künftiger Gemahl. Er kommt dich holen. Ganz sicher kommt er dich jetzt holen.» Kunigunde war sichtlich bemüht, Haltung zu wahren.
    «Das – das glaube ich nicht.»
    Der Wirtemberger hatte doch niemals auch nur einen Funken Neugier oder Aufmerksamkeit ihr gegenüber gezeigt. Und so war Sabina die Vorstellung schließlich immer unwirklicher geworden, ihrem geliebten München eines Tages den Rücken kehren zu müssen. Ihre Wünsche sahen anders aus: Sie würde Wilhelm in seinen Regierungsgeschäften unterstützen, die wichtigsten Korrespondenzen übernehmen und die Audienzen präparieren, und ansonsten mit Ludwig und ihren geliebten Pferden vor den Toren der Stadt herumjagen.
    Ganz plötzlich erinnerte sie sich wieder an das kleine Ölbildnis, das sie als Kind in den Händen gehalten hatte und damals am liebsten auf dem Boden zerschmettert hätte. Wie lange das zurücklag! Sabina wusste: Längst war aus dem etwas dicklichen, ungehobelten Waisenknaben, der sich nach Meinung der deutschen Kurfürsten allzu jung den Herzogshut aufgesetzt hatte, ein selbstbewusster Jüngling geworden, dessen Kühnheit ihr Oheim nicht genug rühmen konnte. Dazusei Ulrich ein Freund der Musik und verstehe es inzwischen, überaus angenehm einen Hof zu machen.
    O ja, sie wusste mehr als genug von diesem Wirtemberger. Schon als Knabe hatte er Kaiser Maximilian in den Schweizerkrieg begleitet, hatte sich trotz seiner Jugend in etlichen Schlachten bewährt, um schließlich mit nur siebzehn Jahren für ihren eigenen Vater den Krieg um Landshut zum strahlenden Sieg zu führen. Als Belohnung durfte er einen beträchtlichen Teil der eroberten Gebiete für sich beanspruchen, was für sein kleines Herzogtum einen gewaltigen Zugewinn bedeutete. Und somit auch für das künftige Reich Sabinas. Doch sie wusste auch: Heute noch nagte an ihrem Bruder Wilhelm der Grimm, dass Baiern in der Dankesschuld eines halben Knaben stand.
    Spätestens seit jenem siegreichen Feldzug wagte indessen auf den Reichstagen keiner mehr, das Maul zum Spott aufzureißen. Zumal Ulrich jetzt vollends als Günstling des Kaisers in dessen Glanz stand und sein Erfolg als Feldherr überall im Lande verbreitet wurde. Fortwährend sah man den jungen Herzog an der Seite seiner Majestät, ob bei der Jagd oder im kaiserlichen Hoflager, bei Feldzügen oder den Reisen zu Reichstagen. Selbst bei der Kaiserkrönung vor knapp einem Jahr war Ulrich mit großem Gefolge in vorderster Reihe dabei gewesen. Es hieß, Maximilian habe ihn liebgewonnen wie einen eigenen Sohn – vielleicht, weil der einzige Sohn ihm viel zu früh weggestorben war.
    Doch nicht nur der Kaiser bewunderte den jungen Herzog. Auch das wirtembergische Volk schien von ihm begeistert. Was hielt man ihm nicht alles zugute: Edelsinn und flinken Verstand, Beredsamkeit und Leutseligkeit, Bescheidenheit, Körperkraft, dazu ein wenig Wildheit und Leidenschaft. Als Draufgänger wurde er durchaus bewundert, sein Mut, seinritterliches Wesen, sein Blick eines Falken wurde in Liedern besungen. Hatte er nicht bereits als Dreizehnjähriger ein ausgewachsenes Wildschwein mit eigener Hand gefangen?
    Sabina ahnte, dass zu einem gut Teil ihr Oheim, Kaiser Maximilian, hinter diesem glanzvollen Ruf steckte – gerade so, als wolle er ihr, seiner Lieblingsnichte, den künftigen Gemahl noch schmackhafter machen.
    «Kind, hast du mir zugehört?»
    Sabina schrak auf.
    «Verzeiht, Mutter.» Sie legte ihre Hand auf Kunigundes Arm. «Was habt Ihr gesagt?»
    «Diese Nachricht hier besagt, dass Herzog Ulrich übermorgen bei uns eintreffen wird, mit 380   Reitern. Ich bitte dich: Geh hinüber in die Alte Veste und prüf nach, ob alles zum Besten steht für die Ankunft deines Bräutigams.»
     
    Der Tag war nass und windig. Auf den Gassen breitete sich das Schmelzwasser in Lachen und Rinnsalen aus, von den Dächern tropfte es. Der föhnige Wind schlug aufs Gemüt, und nicht nur die Herzoginwitwe hätte sich für den Rest des Tages gern in ihre Gemächer zurückgezogen. Doch der Anstand gebot der herzoglichen Familie, den jungen Ulrich von Wirtemberg noch vor dem offiziellen Beginn des Leichenbegängnisses, zu dem auch der Kaiser erwartet wurde, in allen Ehren willkommen zu heißen.
    Der Haushofmeister hatte den Gast und sein Gefolge bereits in die Alte Veste geführt, wo ihnen eine erste Erfrischung gereicht werden sollte, da begann sich Sabina für den großen Augenblick zu richten. Die erste Begegnung des
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