Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
von der Insel? Wie macht sie ihnen meine Heimat schmackhaft? – Und nun sitze ich hier und sehe, daß Sie von Martinique gar nichts kennen.«
    »Von Grönland auch nicht. Trotzdem können Sie Grönland bei uns buchen. Wir können doch nicht die ganze Welt kennen.«
    »Aber Martinique sollten Sie kennenlernen. Alles, was Sie Ihren Kunden erzählen, ist nicht so herrlich wie die Wahrheit! Schon wenn Sie von See her in Fort de France einlaufen … die weite Bucht mit dem ansteigenden grünen Hochland, die wie Perlen an einer Schnur aufgereihten bunten Dörfer an der Küste mit ihren leuchtenden Stränden, und über allem, beherrschend, drohend, aber vom Urwald umwuchert, der Vulkan Mont Pelée mit seinen wild zerklüfteten Schluchten, Lavafelsen, die im Norden steil ins Meer hineinfallen. Schon diese Einfahrt in den Hafen, hindurch zwischen Hunderten von Segelschiffen, ist paradiesisch. Und die Menschen von Martinique! Sehen Sie nur mich an!«
    Es war Petra unmöglich, darauf zu antworten. Sie zog den Briefkorb wieder zu sich heran und blätterte in den Papieren. »Entschuldigen Sie, Herr Birot, aber ich habe noch Post zu bearbeiten. Da Sie keine Buchung vornehmen wollen …«
    »Die meisten Touristen kommen per Flugzeug nach Martinique. Das geht schnell, aber es ist auch eine nüchterne Landung im Paradies. Ergreifend ist, wie ich schon sagte, das Anschwimmen an die Insel. Freunden rate ich immer: Fliegt bis Puerto Rico und steigt dort, in San Juan, auf ein Schiff und fahrt hinein in das Land der Seligen. In den Inselbogen der Kleinen Antillen, wo die Eilande im tiefblauen Meer liegen wie Tränen, die Gott aus Ergriffenheit vor soviel Schönheit weinte.«
    »Sie sollten Reiseprospekte schreiben, Monsieur Birot«, sagte Petra steif. Hinter dieser Steifheit verkroch sie sich; widerwillig mußte sie zugeben, daß René Birot eine unwiderstehliche Art hatte, Interesse für sich zu erwecken. »Aber dabei können wir Ihnen nicht helfen. Da sind Sie hier am falschen Platz.«
    Fünf Tage dauerte es, bis René Birot systematisch den Widerstand von Petra Herwarth gebrochen hatte. Jeden Tag erschien er im Reisebüro Erdkreis-Tours, wartete geduldig bei der Beratung Fernreisen, bis er an die Reihe kam, setzte sich dann Petra gegenüber und sagte: »Ich interessiere mich für einen Trip nach Khujirt. Das liegt in der Mongolei, in der Wüste Gobi …«
    »Ernsthaft?« fragte Petra hart.
    »Wäre ich sonst hier? Oder verkaufen Sie Witze?«
    Am zweiten Tag ließ er sich über Shibam im Wadi Hadramaut informieren, am dritten Tag war es das Savannenland von Mongalla am Weißen Nil, der vierte Tag stand ganz unter dem Eindruck einer Expedition nach Longnawan im Inneren Borneos, und am fünften Tag sagte René Birot: »Ich schäme mich fast, es auszusprechen: Haben Sie Material über den Titicaca-See?!«
    »Wann?!« fragte Petra knapp.
    »Heute abend um 20 Uhr. Im Restaurant ›Austernkeller‹? Sie machen mich glücklich!«
    »Irrtum! Ich will nur, daß Ihre dummen Besuche im Büro aufhören!«
    So verrückt lernten sie sich kennen. Sie gingen dann noch viermal aus, und sehr zu Petras Verwunderung benahm sich René wie ein Ehrenmann. Wann küßt er mich endlich, dachte sie verwirrt, wenn er sich mit einem gehauchten Handkuß verabschiedete. Warum gibt er mir nicht die Gelegenheit, ihm eine Ohrfeige zu geben?
    Nach zehn Tagen fragte René Birot: »Petra, eine wichtige Frage: Haben Sie einen Freund?«
    »Ja. Immerhin bin ich schon vierundzwanzig.«
    »Hat er noch nichts gemerkt?«
    »Er fängt an, sich Gedanken zu machen. Schlecht für Sie. Eberhard ist Amateurboxer. Halbschwergewicht.« Das war zwar alles gelogen, es gab einen Freund, aber der war Post-Inspektor und boxte nicht, sondern spielte Doppelkopf und stand seit zwei Jahren jedes Vierteljahr in einem dunkelblauen Anzug und mit einem Blumenstrauß in Petras Zweizimmerwohnung und sagte: »Ich bitte um deine Hand, Mädchen …« Sie hatte immer das Gefühl, daß Eberhard nicht der richtige für ›Bis der Tod euch scheidet‹ sei, nahm ihm die Blumen ab, spendierte Whisky on the rocks und vertröstete ihn wieder.
    René Birot nahm sich den Amateurboxer sehr zu Herzen. Beim nächsten Treffen schleppte er eine dicke Aktentasche mit sich herum, ging mit Petra in den Bismarckpark, holte aus der Tasche zwei Ziegelsteine und ein dickes Brett, legte das Brett auf die Ziegelsteine, machte die Augen zu, hob die rechte Hand, schrie dumpf: »Hach …!«, ließ die Handkante auf das Brett
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher