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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Lizenz und bei der Polizei ein eigenes Aktenfach. »Geben wir ihm die Lizenz –« hatte der verantwortliche Beamte im Gouvernement gesagt. »Besser so, als wenn er das heimlich tut. So haben wir ihn unter Kontrolle.«
    In unregelmäßigen Abständen erschien nun bei Jules ein Jeep der Polizei, besichtigte das Haus, nahm an einer Sprechstunde teil, wo Jules wirklich nur Pflanzensäfte und Wurzelcremes ausgab, und befriedigt zog die Polizei wieder ab. Eh bien – wer daran glaubt, soll das Zeug auch saufen!
    An einem Voodoo-Zauber aber hatte noch kein Weißer teilgenommen. Dann saßen Späher im weiten Umkreis des Hauses und beobachteten die Straßen.
    So lebte Jules jetzt schon dreißig Jahre in der Bergeinsamkeit, eingeschlossen von undurchdringlichem Urwald, geschützt hinter wogenden grünen Wänden aus Riesenfarnen. Seit sieben Jahren war er befreundet mit Robert Coulbet, dem Kriminalkommissar in Fort de France; sie hatten sich kennengelernt, als Coulbet einen widerlichen Fall lösen mußte, die Suche nach einem Kindermörder, der drei kleine Mädchen erwürgt hatte. Jules erfuhr davon, suchte Kommissar Coulbet privat auf, setzte einen bunt bemalten Fetisch auf Coulbets Buffet und versank in Trance. »Er versteckt sich in Le Robert. In den Sümpfen bei Pointe Melon. In einem Zelt wohnt er. Ein kleiner, dürrer, häßlicher Mann.«
    Coulbet war sofort, ohne lange Fragen, losgefahren. Und wirklich … im Mangrovensumpf von Pointe Melon fanden sie ein winziges Zelt und darin einen kleinen, dürren, häßlichen Mann. Er gestand sofort die Morde. Seitdem waren Jules und Kommissar Coulbet Freunde, aber auch Coulbet hatte noch nie einen Voodoo-Zauber bei Jules erlebt.
    Tsologou Totagan hatte nie geheiratet. Die Frauen, die er besessen hatte, waren für seinen Trieb notwendig gewesen. Geliebt hatte er sie nicht, und ein paarmal gehörte auch der simple Sex zu seiner Therapie und heilte Krankheiten bei Frauen, die mit hysterischen Beschwerden zu ihm kamen. Wenn sie einen Tag bei Jules geblieben waren, kehrten sie fröhlich und von allen Beschwerden befreit in ihre Behausungen zurück und sangen laut das Lob von Papa Jules, dem großen Houngan im Regenwald. Nein, Liebe war das nicht, geliebt hatte Jules nur ein Mädchen, das damals Danielle Paquier hieß und bei einem Drogisten in der Lehre war. Eine wunderschöne Kreolin, der die Männer nachliefen wie Kater. Jules war einer von denen, die bei Danielle abblitzten, er nahm sich das sehr zu Herzen, auch wenn er heute allen Göttern dankte, daß es damals mit ihm und Danielle nichts geworden war. Die schöne Drogistin war jetzt auch schon vierundfünfzig Jahre alt, hatte eine Drogerie im Süden von Martinique, im Hôtel du Diamant, an einem der schönsten Strände der Insel, feiner, weißgoldener Sand, nicht so kieselig wie an den nördlichen Stränden, aber sie war in den Jahren in die Breite gegangen, war fett geworden, wog 230 Pfund und schleppte ein Paar Brüste herum, gegen die ein Riesenflaschenkürbis geradezu zierlich war. Auch Danielle war eine Voodoo-Priesterin geworden, eine Mamissi Vata, Verkünderin der Nixen-Göttin Mami und des Schlangengottes. Sie war stolz, wurde geachtet und gefürchtet, und ihre Götterbeschwörungen an der Küste waren berühmt. Einmal nur begegneten sich Jules und Danielle Paquier wieder, als Jules zu einem Kranken nach Montravail gerufen wurde und dort auch Mamissi anwesend war. Doppelt ist immer besser als einfach, hatte sich der Kranke gedacht, doch da irrte er sich. Jules und Danielle gingen vor die Tür, und Danielle sagte: »Fahr nach Hause, Jules. Benässe die Bäume, aber laß die Menschen in Ruhe.« Und Jules antwortete: »Jetzt weiß ich, wann die Sturmfluten sind: Wenn Mamissi ins Meer geht!«
    Sie gingen nach verschiedenen Richtungen davon, und der Kranke starb zwei Tage später mehr aus Angst, die Götter hätten ihn verlassen.
    Jules schlief schon lange auf seinem einfachen Eisenbett mit der dicken Schaumgummimatratze – das Geschenk eines dankbaren Geheilten aus St. Pierre –, als ihn ein heftiges Klopfen aufschreckte. Er sah auf den großen Wecker neben sich, erhob sich, griff nach einem mit abgekniffenen Nägeln beschlagenen Knüppel – eine höllische Waffe, wenn sie traf – und tappte zur Tür. »Ja?« rief er. »Was ist denn los?«
    »Mach auf!« sagte eine helle Frauenstimme. »Onkel Jules, bitte, mach auf.«
    Jules entriegelte die Tür, stieß sie auf, und Josephine schlüpfte in das Haus. Sie fing sofort
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