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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua
Autoren: Charlotte Thomas
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genug über die menschliche Anatomie, um diese Diagnose auch aus drei Schritten Entfernung stellen zu können. Zwischen seinen Lippen sprudelte das Blut, und unmittelbar darauf brachen seine Augen.
    Die Nonne warf sich schluchzend über ihn, doch plötzlich richtete sie sich entschlossen auf. Celestina zog sich wachsam hinter den Tisch zurück und hielt nach einer Waffe Ausschau, aber die Nonne hatte nicht vor, den Tod des Mönchs zu rächen. Sie stand einfach nur stumm auf und ging zu einem Schrank, den sie aufschloss und ein Leinensäckchen herausnahm. Sie holte einen Ballon mit Weingeist, goss etwas davon in ein Reagenzglas, rührte den Inhalt des Säckchens hinein und trank alles mit wenigen Schlucken leer, bevor Celestina richtig begriffen hatte, was sie dort tat.
    »Ich habe ihn geliebt«, sagte die Nonne leise. »Das wisst Ihr sicher, oder? Sonst hätte ich bei alledem nicht mitmachen können.«
    »Habt Ihr gerade Gift getrunken?«
    Die Nonne nickte. »Das beste und das stärkste, das der Garten Eures Onkels hergab. Ein paar Minuten nur, dann ist es vorbei. Versucht bitte nicht, es zu verhindern, ich würde es nur nochmals tun.«
    Celestina wurde es kalt, sie umschlang ihren Körper mit den Armen, um das Zittern zu dämpfen. »Hat mein Onkel gemeinsame Sache mit Euch gemacht?«
    Die Nonne schüttelte den Kopf. »Nein, er wusste von nichts. Er wollte nur helfen, er brachte seine Gifte, damit wir Arzneien daraus machen konnten. Er ist ein guter Mensch.«
    Celestina atmete aus und tat ihrem Onkel innerlich Abbitte.
    »Und der Prosektor? Was hat er mit alledem zu tun? Ist er ein Komplize von Frater Silvano?«
    Die Nonne schüttelte abermals den Kopf. »Silvano hat ihm lediglich jedes Mal eine Nachricht gesandt, wenn ein lebensmüder Patient im Besitz von Gift in die Herberge geschickt wurde. Ihm war daran gelegen, dass die Toten gleich nach dem Auffinden geholt wurden und dass es keine behördliche Untersuchung der Fälle gab. Dafür bot sich die Anatomie an. Gianbattista wiederum fragte nicht groß, wo die Leichen herkamen, denn er brauchte das Geld, das er dafür vom Lehrstuhl bekam. Im Gegenzug hat er zugelassen, dass Silvano nachts in der Anatomie die sezierten Leichen untersuchen konnte. Sonst hat Gianbattista sich nichts zuschulden kommen lassen. Silvano wiederum ließ sich von Euch über alle Vorgänge in der Anatomie berichten, um frühzeitig gewarnt zu sein, falls sich am Status quo etwas änderte.« Ihre Stimme klang zusehends brüchiger, die letzten Worte kamen nur mühsam. Das Gift entfaltete seine Wirkung. Deodata taumelte zur Seite, dann lehnte sie sich gegen die Wand und sackte daran herunter. Ihre Lippen begannen sich blau zu färben, sie rang nach Luft. Als Celestina bestürzt auf sie zutreten wollte, hob sie abwehrend die Hand. »Lasst mich. Man kann nichts tun.« Röchelnd schloss sie: »Außer Beten. Aber das sagte ich Euch ja schon. Könnt … Ihr … für mich … beten?«
    Deodata hatte recht, es ging sehr schnell. Sie verfiel in Zuckungen, verlor schließlich das Bewusstsein. Wenig später war es vorbei. Celestina kniete bei der toten Nonne nieder und sprach ein Gebet für ihre arme Seele. Anschließend ging sie eilig nach oben, darauf hoffend, niemandem zu begegnen. Das Spital verließ sie über den Hintereingang.
    »Das hat aber lange gedauert«, sagte ihre Mutter missfällig, als Celestina zu ihr in die Kutsche stieg. »Bäh, wie du riechst, Kind!« Sie rümpfte angewidert die Nase. »Und du hast Flecken auf dem Kleid. Ist das etwa Blut?«
    Celestina konnte nicht antworten, sie war zu sehr damit beschäftigt, dem Zittern ihrer Glieder Einhalt zu gebieten, und das möglichst so, dass ihre Mutter es nicht bemerkte. Schaudernd dachte sie an das Gruselkabinett, aus dem sie sich eben gerettet hatte, und daran, wie nahe sie daran gewesen war, ein Teil dieser entsetzlichen Sammlung zu werden. Ebenso wie Arcangela, die auch nur knapp diesem Schicksal entronnen war.
    »Was ist los?«, fragte ihre Mutter streng. »Und sag ja nicht, es wäre nichts, denn ich sehe, wie du zitterst!«
    Celestina brach in Tränen aus, weil die Anspannung zu viel war und das Grauen zu gegenwärtig, um es einfach zu übergehen. »Ich habe gerade eine Frau sterben sehen«, schluchzte sie. »Und vorher einen Mann. Und dann lag da noch eine andere tote Frau. Und ein totes Kind.«
    »Ich hätte dir verbieten sollen, da hineinzugehen«, sagte ihre Mutter. »Ich meine, nun gut, im Krankenhaus sind Kranke, und ab und zu
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