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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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dreißig Cent pro Stunde“, murmelte Kitty und rechnete sich flink im Kopf aus, daß das 52 Dollar wöchentlich ergäbe.
    „Stimmt nicht ganz“, korrigierte der Mann, „wir arbeiten zur Zeit auf der Basis der Sechstagewoche, macht 62.40 Dollar, einschließlich Steuern.“
    Kitty mußte tief durchatmen.
    „Das sagt mir zu“, entschied sie sich.
    Er maß sie von oben bis unten, und sein Blick machte ihr klar, daß sie wohl all die Jahre hindurch die falschen Dinge zu lernen bestrebt gewesen war: Sauberkeit, nette Umgangsformen, guten Geschmack. Nun schien sie offensichtlich zu gepflegt für einen derartig einträglichen Posten zu sein.
    „Es ist harte, schmutzige Arbeit“, versuchte der Mann ihr ihren Entschluß auszureden, „sehr, sehr schwere Arbeit sogar. Sie sind die ganze Nacht über auf den Beinen, mit Ausnahme einer halben Stunde Pause. Wir haben in diesem Jahr einen besonders heißen Sommer, und Sie sehen mir recht zart aus. Die Temperatur im Maschinenraum steigt oft bis zu 50 oder gar 60 Grad Celsius ...“
    Unsinn, dachte sie, so heiß kann es nirgendwo sein.
    „Ich bin kräftiger, als ich aussehe“, fügte sie laut hinzu und hoffte, damit seine Bedenken beiseite zu schieben. Sie wollte gar nicht hören, wie schrecklich die Warnungen klangen. Nichts auf der Welt ersehnte sie brennender als eine saubere, ruhige Beschäftigung in einer gepflegten Umgebung. Aber um eine solche zu erreichen, brauchte sie zuerst einmal Geld. Dies hier konnte ein guter Anfang dazu werden. Wenn sie bis zum Herbst hier schuftete, konnte sie sich vielleicht bereits ihren Handelskursus leisten.
    „Wenn Sie sich für mich interessieren, dann interessiere ich mich für Sie“, sagte sie, „ich meine, für Fairfield-Plastik“, fügte sie korrekt hinzu.
    Er zuckte die Achseln.
    „Des Menschen Wille ist sein Himmelreich“, philosophierte er, „aber zuerst kommt noch die ärztliche Untersuchung. Wir müssen uns sichern, denn nicht jeder Körper hält derartige Belastungen aus. Morgen um neun Uhr wird ein Arzt hier sein. Wenn er seine Zustimmung gibt, dann können Sie gleich am Abend bei uns anfangen, von zehn bis sechs Uhr früh, Samstagnacht ist frei.“ Sein Blick wurde freundlicher.
    „Möchten Sie den Maschinenraum sehen?“
    Sie zögerte einen Augenblick.
    „Ja“, sagte sie dann tapfer.
    Er rief über die Schulter irgend jemandem etwas zu, und dann öffnete er ihr eine große Tür, auf der „Zutritt verboten“ stand. Ein langer Gang führte sie in eine grell erleuchtete Halle.
    „Hier ist die Kontrolluhr“, sagte er und deutete auf einen Glaskasten, „wissen Sie, wie man beim Kommen und Gehen seine Karte abstempeln läßt, damit immer genau auf die Minute feststeht, wann man seine Arbeit antritt und später verläßt? Nein? Nun, das macht nichts, so etwas lernt sich leicht. — Drüben sind die Waschräume und hier die Garderobe.“
    Er hielt einen Augenblick im Gehen inne, ehe er eine weitere Stahltür mit der Aufschrift „Kein Zutritt“ öffnete. Die Hand bereits auf der Klinke, wandte er sich noch einmal um und warnte seine Begleiterin: „Wenn wir da erst mal drinnen sind, werden Sie meine Stimme nicht mehr hören können bei all dem Krach. Halten Sie sich also dicht hinter mir!“
    Dann drückte er die Klinke nieder, und Kitty verschlug es den Atem. Noch nie zuvor war ein derartiges Getöse über sie hergefallen. Es dröhnte und schmerzte in den Ohren; es war, als könne man diesen Lärm geradewegs körperlich fühlen.
    „Was ist denn so laut hier?“ brüllte sie mit vollen Lungen, aber ihr Führer hatte nicht einmal bemerkt, daß sie geschrien hatte. Die Luft bestand aus einem dicken Gemisch von Hitze und Staub, einem eigenartig modrigen Geruch und dem Rauch von Pfeifentabak. Riesige Metallkörbe standen überall in hohen Stapeln umher. Der Personalchef packte Kitty am Arm und schob sie in einen hellen Raum, in dem eine große verchromte Kaffeemaschine über einer verglasten Theke voller Kuchen und belegter Brote thronte, und dahinter erstreckte sich eine Reihe von Tischen und Stühlen. Er rief ihr irgend etwas zu, das im Lärm von nebenan unterging, aber sie verstand, daß dies die Kantine war.
    Dann führte er sie zurück zur Tür, und nun betraten sie einen riesigen Saal, der bis zur Decke mit mächtigen stampfenden, quietschenden, scheppernden und donnernden Maschinen angefüllt war. Zwischen diesen lärmenden Ungeheuern zogen sich schmale Gänge hindurch. Zur Linken schienen mehrere Männer mit
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