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Das Mädchen aus der Pearl Street

Das Mädchen aus der Pearl Street

Titel: Das Mädchen aus der Pearl Street
Autoren: Dorothy Gilman Butters
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oder Sodas schaumig zu schlagen, nachdem sie bereits eine dreijährige Karriere dieser Art hinter sich gebracht hatte, und die Arbeit als Kellnerin oder in einer Fabrik reizte sie ebensowenig. Sie wußte genau, was sie wollte: eine gute, saubere, ordentliche Beschäftigung, die genug Geld einbrachte, daß sie ihren Anteil zum Unterhalt der Familie beitragen konnte und doch noch genügend übrigbehielt, um sich hübsche Kleider zu kaufen, die sie bisher nie besessen hatte.
    Außerdem mußte sie für den Sechswochenkursus in der Hallschen Handelsschule sparen, denn mit einer solchen Empfehlung in der Tasche konnte sie es vielleicht eines Tages soweit bringen, daß sie als Privatsekretärin 80 Dollar pro Woche verdiente.
    Eine Frau kam aus dem Büro heraus, und gleich darauf rief eine Stimme von drinnen:
    „Sie können hereinkommen, Miß.“
    Kitty trat ein. Dreimal hatte sie sich bereits mit Erfolg um Arbeit beworben, aber noch nie war sie bisher durch eine Agentur vermittelt worden, und sie gab sich alle Mühe, nicht nervös zu wirken. Die Frau lächelte kurz, deutete auf einen Stuhl neben dem Schreibtisch und begann, emsig in der Schublade nach einem Kugelschreiber zu suchen.
    „Ich bin Miß Finch“, stellte sie sich nebenbei vor, „Sie suchen eine Stelle?“
    „Ja“, antwortete Kitty und faltete ihre Hände im Schoß.
    „Dann wollen wir gleich einmal dieses Formular für Sie ausfüllen.“ Miß Finch fand endlich ihren Stift und fragte dann nach Kittys Namen, Adresse, Alter und Ausbildung. Als sie fertig war, lehnte sie sich zurück und lächelte zuversichtlich.
    „Ich denke, wir werden etwas für Sie finden, Katherine“, sagte sie, „wir haben mehrere Stellenangebote für hübsche junge Damen wie Sie.“
    Ihr Blick schätzte Kittys Erscheinung ab. „Kosmetische Artikel vielleicht?“ überlegte sie. „Ein ansprechendes Gesicht ist in einem solchen Geschäft die beste Empfehlung…“
    Sie begann sämtliche Vorteile dieses Berufes aufzuzeigen, einschließlich Sozialversicherung, Urlaubsvergünstigungen und Altersversorgung, bis Kitty endlich Gelegenheit fand, die für sie allerwichtigste Frage einzuschieben:
    „Und wie hoch ist das Gehalt?“
    Miß Finch lächelte.
    „O ja, natürlich“, sagte sie. „Sie würden pro Woche 32.50 Dollar verdienen plus Umsatzbeteiligung.“
    „Zweiunddreißig!“ wiederholte Kitty, „hm, und wieviel macht die Umsatzbeteiligung aus?“
    „Nun, das kommt ganz darauf an, was Sie verkaufen. Ein Prozent der Verkaufssumme gehört Ihnen. An einem Lippenstift für einen Dollar verdienen Sie also zum Beispiel einen Cent. Außerdem können Sie für Ihren eigenen Bedarf mit einem beachtlichen Rabatt einkaufen, ja, ja, da kann schon ganz nett etwas zusammenkommen.“
    „Mag sein“, gab Kitty zögernd zu.
    „Würde Ihnen diese Tätigkeit Zusagen?“ Miß Finch nickte ihr aufmunternd zu. Kitty rutschte auf ihrem Stuhl hin und her und suchte nach Worten, um ihre Enttäuschung möglichst taktvoll zum Ausdruck zu bringen.
    „Ich hatte gehofft — hm, ich dachte--ich könnte mehr verdienen ..
    Miß Finchs Lächeln wurde noch lockender.
    „Es wäre eine sehr hübsche Beschäftigung für ein junges Mädchen, und auch die Arbeitszeit ist angenehm. Allerdings müssen alle diese Verkäuferinnen dunkle Röcke und weiße Blusen tragen, das wirkt adretter und einheitlicher, aber ich nehme nicht an, daß Sie diese Regel als persönliche Freiheitseinschränkung auffassen.“
    „Absolut nicht“, entgegnete Kitty und wurde rot. Weiße Blusen und dunkle Röcke! Wenn sie diese Stelle annahm, dann mußte sie sich erst einmal dafür einkleiden, denn sie besaß nur diese einzige weiße Bluse, und ihr dunkler Schulrock war bereits reichlich schäbig und kurz.
    „Ich werde es mir überlegen. Können Sie mir etwas Bedenkzeit geben?“
    „Sicher, gern“, räumte Miß Finch ein, und in ihrer Stimme klang ein neu erwachtes Interesse mit, als sie noch einmal bekräftigte: „Selbstverständlich, Katherine.“ Es war, als sehe sie erst in diesem Augenblick Kitty als eine Persönlichkeit statt als Schaufensterpuppe.
    Kitty stand auf, stotterte ihren Dank und strebte dann eilig dem Fahrstuhl zu. Als sie auf die Straße trat, sah sie sich nach dem nächsten Drug-Store 2 um, denn sie mußte erst einmal auf ihren Schrecken hin etwas trinken. Sie kletterte auf einen der hohen, runden Barstühle an der Theke und bestellte sich ein Glas Coca-Cola.
    „Zweiunddreißig-fünfzig!“ murmelte sie vor sich hin.
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