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Das Luzifer Evangelium

Das Luzifer Evangelium

Titel: Das Luzifer Evangelium
Autoren: Tom Egeland
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Aktentasche mit dem Manuskript, ergriff Silvanas Hand und zog sie hinter sich her aus ihrem Leben.

XV: Monique
    AL-HILLA
2. SEPTEMBER 2009
    1
    Als die Sonne über der Wüste aufging, schien nichts von alledem geschehen zu sein.
    Ich wachte wie immer um sechs Uhr morgens von dem Wecksignal im benachbarten Militärlager auf, taumelte die Treppe nach unten und ging an der Latrine vorbei zu dem großen, gemeinsamen Duschraum. CC rasierte sich gerade.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ich kriege die Bilder nicht aus dem Kopf.«
    »Ich weiß, wie es Ihnen geht. Wir können nachher ein Gespräch mit dem Arzt des Camps führen. Debriefing. Angeblich hilft das.«
    Die Forscher arbeiteten in drei Schichten, von denen die erste um fünf Uhr morgens begann. Jeder Quadratmeter des Zikkurats wurde fotografiert, mit Videokameras gefilmt, aufgezeichnet und beschrieben. Über den Überresten von Oûäh war ein Plastikzelt errichtet worden. Überdies hatte man Teile der Halle abgesperrt, damit die Biologen ungestört ihre Analysen vornehmen konnten. Im Feldlabor wurde alles klassifiziert und katalogisiert, was der Grabkammer entnommen wurde. Hier herrschte rund um die Uhr Aktivität. Nach der Registrierung wurden die Gegenstände in Aluminiumkästen gepackt und mit passend zum Artefakt in Form gegossenem Schaumgummi gesichert. Die Aluminiumkästen kamen in Spezialcontainer, um zur gründlicheren Analyse in die USA geflogen zu werden.
    Vor dem Eingang des Lagers war ein regelrechtes Medienzentrum aus dem Boden geschossen. Viele der großen Fernsehanstalten hatten ihre Kriegskorrespondenten und Übertragungswagen aus Bagdad abgezogen. Trotz der fetten Zeitungsschlagzeilen und der langen Fernsehreportagen über den Turm zu Babel war nicht ein Wort über Oûäh an die Öffentlichkeit gelangt. CC hatte große Angst davor, dass der Fund bekannt werden könnte. Eine solche Neuigkeit, meinte er, müsse der Welt mit angemessener Pietät mitgeteilt werden. Es war angedacht, dass der amerikanische Präsident die UN -Vollversammlung in einer weltweit live übertragenen Rede informierte.
    Die Journalisten siedelten die Entdeckung des Turms zu Babel irgendwo zwischen einer historischen Kuriosität und einer militärpolitischen Verwicklung an. Keiner von ihnen verstand, was wir eigentlich machten. Aber das war – alles in allem betrachtet – unwichtig.
    2
    Ich war auf dem Weg aus der Messe zum Feldbüro, als ich sie sah. Sie war am Parkplatz abgesetzt worden und ging, eingehüllt in eine Staubwolke, zu Fuß über den schmalen Weg zu den Baracken.
    Monique.
    Als sie mich entdeckte, blieb sie stehen. Der Wind griff in ihre Haare. Sie waren nicht mehr blond. Sie waren pechschwarz.
    »Monique!«, sagte ich, als sie nah genug war.
    Ihre Augen waren geschwollen, rot und glasig. Ich verstand, dass weit entfernt in Amsterdam Dirk van Rijsewijk aufgehört hatte, um jeden Atemzug zu kämpfen.
    Ich umarmte sie. »Mein Beileid«, flüsterte ich. Sie drückte meinen Oberarm. »Danke«, formte sie mit den Lippen. Unbeholfen legte ich meinen Arm um ihre Hüfte und versuchte, sie zu trösten. Sie nahm ihren Block heraus. »Ich habe bei ihm gesessen, als er eingeschlafen ist«, schrieb sie. Ihr Blick war mir unangenehm. Es sah aus, als wollte sie noch mehr schreiben. Sie zögerte. Etwas – ein Gedanke, eine Unsicherheit – hielt ihren Stift fest. Dann schrieb sie: »Ich habe Durst.«
    3
    »Ich muss dir etwas erzählen«, schrieb Monique.
    Wir hatten uns mit zwei Gläsern amerikanischer Limonade mit Eiswürfeln auf die Plattform gesetzt. Ich hatte zwei Ventilatoren geholt, einen für Monique und den anderen für mich. Der Luftstrom ließ die Blätter ihres Blocks flattern.
    Irgendwo tief in mir drin hoffte ich, sie würde schreiben, dass sie mich liebte. Dass sie gemeinsam mit mir alt werden wollte, dass sie jetzt frei war und ihren Gefühlen folgen konnte. Ihren Gefühlen zu mir. Irgendetwas in dieser Richtung. Bjørn, der Romantiker.
    »Ich weiß, dass du enttäuscht warst«, schrieb sie. »Tu nicht so, als würdest du mich nicht verstehen. Du fühlst dich von mir betrogen.«
    Konnte ich das leugnen? Sie hatte mich betrogen. War die ganze Zeit auf CC s Seite gewesen.
    »Ich konnte nichts sagen. Nicht zu dem Zeitpunkt«, schrieb sie. »Aber jetzt ist Dirk nicht mehr da … er hat darauf bestanden. Die ganze Zeit. Er war richtiggehend monoman, was unsere Anonymität anging.« Sie sah mich fragend an. »Weißt du es wirklich nicht?«
    Ich hatte keine Ahnung,
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