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Das Los: Thriller (German Edition)

Das Los: Thriller (German Edition)

Titel: Das Los: Thriller (German Edition)
Autoren: Tibor Rode
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Sie sah aus wie eine eiserne Milchkanne mit ledernem Henkel. Oben auf dem Deckel waren in leuchtenden Farben Zahlen und Buchstaben aufgemalt, deren Bedeutung er nicht kannte. Er hatte aber schon oft beobachtet, wie die Menschen unten in Nariman Point zur Mittagspause aus den Hochhäusern drängten, als seien sie alle Teil einer gigantischen Feuerschutzübung, in der Hand ihre großen Lunchpakete. Er wusste daher, dass die Dabba aus fünf Metallschüsseln bestand, die übereinandergestapelt waren. Und er wusste auch, dass in jeder der fünf Schüsseln die köstlichsten Speisen auf ihn warteten. In seine Nase drang der Geruch von Koriander und Zwiebeln, und er stellte sich dazu Mango in Joghurt, Reis und Früchte vor. Speichel sammelte sich in seinem eben noch so trockenen Mund, und die Wärme der Dabba , die er nun noch fester an seine Brust drückte, breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Auf das Wunder, dass er die Nacht neben der Säule unter dem Filmplakat hatte verbringen können, ohne aus dem Bahnhof geworfen zu werden, war ein zweites, noch viel größeres gefolgt. Dies hier war wirklich ein guter Platz. Ein Platz, wie er ihn schon so lange gesucht hatte.
    Plötzlich klopfte etwas auf seine Schulter. Er schaute auf und blickte in das lächelnde Gesicht eines Polizisten, der einen langen schwarzen Stock in der Hand hielt. Die Mitte seines Gesichts zierte ein großer Schnauzbart. Neben ihm stand ein weiterer Ordnungshüter, der ihm nicht nur wegen der Uniform zum Verwechseln ähnlich sah, allerdings trug dieser Mann keinen Bart. Nun klopfte der Beamte mit dem Knüppel auf den Deckel der Dabba vor ihm.
    »Wo hast du die denn gestohlen, Junge?«, verlangte er in einem strengen Tonfall zu wissen.
    »Die hab ich gefunden!«, antwortete er ängstlich.
    »Wo denn?«, fragte der zweite Polizist mit einem neugierigen Grinsen.
    »Dort drüben!« Er zeigte mit dem Finger auf die Stelle, wo die Dabba gestanden hatte, nachdem der Zug weggefahren war.
    Der erste Polizist holte aus und schlug ihm mit dem Stock auf den ausgestreckten Arm, sodass er vor Schmerzen aufjaulte. Ein brennender Schmerz lähmte seinen Arm bis hinunter zur Hand, und Tränen schossen in seine Augen.
    »Lüg nicht, du Mistbengel!«, schrie der Polizist wütend und hob erneut drohend den Stock. »Mein Bruder arbeitet zufällig beim Nutan Box Suppliers Trust. Und weißt du, wie viele Dabbas jeden Tag zwischen dem Zuhause der Kunden und deren Arbeitsstätte transportiert werden, du Rotzlöffel?«
    Er schüttelte den Kopf und kniff in Erwartung eines weiteren Schlages die Augen zu.
    »Zweihunderttausend! Und das jeden Tag!«, brüllte der Polizist verärgert. »Und weißt du, wie viele dabei verloren gehen?«
    Wieder schüttelte er den Kopf und hielt schützend seine Hände vor die Ohren. Stockschläge auf die Ohren schmerzten am meisten und konnten taub machen.
    »Eine einzige Dabba von sechzehn Millionen Lieferungen! Kannst du dir das vorstellen? Eine von sechzehn Millionen!«
    Der Polizist hörte auf zu brüllen und schnappte kopfschüttelnd nach Luft.
    »Und die eine willst ausgerechnet du gefunden haben?«, fragte der andere Polizist mit einem höhnischen Grinsen. »Das wäre ja wie ein Lotteriegewinn. Dann wärst du ein verdammter Glückspilz!«
    Beide Polizisten brachen in Gelächter aus.
    »Bist du aber nicht!«, schrie der mit dem Schnauzer plötzlich und zog ihm den Stock quer übers Gesicht.
    Blut sickerte aus seiner Nase und lief über seine Lippen. Eine Hand packte ihn am Kragen und zerrte ihn rüde hoch. Sein Fuß stieß dabei gegen die Kanne mit dem Essen, die umfiel und scheppernd den abschüssigen Bahnsteig hinab Richtung Gleisbett rollte.
    »Jetzt kommst du mit auf die Wache!«, brüllte der mit dem Schnauzbart. »Du dreckiger Dieb!«
    Seine Hände wurden auf den Rücken gebogen, sein Kopf nach unten gerissen. Eine Hand krallte sich in seinen Nacken.
    Einer der Polizisten kam mit seinem Mund so nah an sein Ohr, dass er dessen Atem spürte. »Mal hat man Glück, und mal hat man Pech!«, zischte er.
    Er wusste nicht, ob es das Wort »Glück« oder das Wort »Pech« oder der hämische Gesichtsausdruck seines Gegenübers war, aber irgendetwas verlieh ihm in diesem Moment übermenschliche Kräfte. Er vollführte mit der rechten Hand einen Stoß, der den Polizisten vor ihm zurücktorkeln ließ. Im nächsten Augenblick entwand er sich mit der geschmeidigen Bewegung eines Tigers dem Griff des anderen Mannes.
    Mit großen Sprüngen rannte er der
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