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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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würde ich ihr gegenüberstehen. Das Taxifahrer-Baby setzte den Blinker und bog in die Abfahrt nach Bagheria ein.

Kapitel 4
    PHIL
    »Und wohin jetzt?«
    Mario antwortete sehr detailliert, leider vermischte er dabei eine Menge Us und Schs zu einem Brei, der sich für meine Ohren nicht italienisch anhörte. Ich hatte Kopfschmerzen. Wenn diese völlig unnötige Sache mit der Tasche nicht passiert wäre, säße ich vermutlich schon längst in meinem Hotelzimmer. Ich brauchte die Sicherheit einer Tür, die sich abschließen ließ. Ohne ein im Voraus gebuchtes Zuhause fühlte ich mich haltlos. Ich hätte bereits alles ausgepackt, ich hätte mich ausgezogen, denn in Hotelzimmern lief ich gerne nackt herum. Nur mit einem Handtuch um die Hüften hätte ich den Fernseher angemacht, die Wasserhähne Probe laufen gelassen und die Akkus für die Kamera geladen. Wo, mit wem fuhr meine gesamte Ausrüstung jetzt herum?
    Ich ahnte, dass Brigida mich mit all den Fragen konfrontieren würde, die ich mir selbst in der letzten halben Stunde schon ungefähr siebzig Mal gestellt hatte: Wie konnte das passieren? Warum hast du nicht besser aufgepasst? Ist dir klar, dass die Hasselblad deine Investition in die Zukunft war? Ist dir bewusst, dass diese Investition noch nicht einmal zur Hälfte abbezahlt ist? Und das Laptop, auch neu! Wer ist
diese Frau überhaupt? Wo hattest du deine Augen, als der Taxifahrer dein Gepäck eingeladen hat? Du willst sie wohl unbedingt wiedersehen, stimmt doch, oder?
    Da hatte ich das erste Mal einen richtigen Auftrag von Brigidas Agentur und saß im Handumdrehen ganz tief im Schlamassel. Seit einem Jahr hatte ich nichts anderes getan, als die neusten Automodelle im Studio auszuleuchten, von Architektur und wie man sie fotografiert hatte ich wenig Ahnung.
    »Kein Problem, die Villa«, hatte ich dennoch vor Brigida behauptet. »Kannst du Autos, kannst du alles, heißt es doch!«
    Nun bezahlte ich dafür, dass ich mich hatte vordrängeln müssen. Dabei hätte der eigensinnige Classner die Villa Camilla viel besser übernehmen können, der fotografierte noch analog, ganz klassisch. Und schwärmte bei jeder Gelegenheit vom sizilianischen Licht, den Barockvillen aus weichem Tuffstein und der genialen Rasiercreme, die es nur in der Drogerie gegenüber dem Hauptbahnhof von Palermo gibt. Die Rasiercreme roch angeblich nach Mandeln, und als er mich bat, ihm fünf der roten Töpfchen mitzubringen, sagte ich, kein Problem. Immer sagte ich sofort, »Kein Problem«, um mir selbst zu beweisen, dass alles ganz einfach war, ganz entspannt.
    Für Brigida musste ein guter Fotograf genau so sein: lässig, aber pünktlich; gewissenhaft, aber entspannt. Ich war niemals entspannt bei Brigida, dafür sorgte ihre Launenhaftigkeit, die ich jedoch als sizilianische Eigenart an ihr bewunderte. Über Sizilien wusste ich zwar kaum etwas, dafür wusste ich, dass Brigidas Wille genauso stark war wie ihr Haarwuchs und ihr Akzent. Sie ging keine Kompromisse
ein, sie sprach klar, direkt, ohne Umschweife. Und alle diese Dinge liebte ich an ihr.
     
    »Meine Männer waren alle irgendwie Freaks«, sagte sie oft. Meine Männer, allein diese beiden Worte verursachten bei mir ein unangenehmes Stechen in den Eingeweiden. Waren es mehr gewesen als die drei, die ich kannte? Sie hatten sich nahtlos aneinandergereiht, einer hatte den anderen abgelöst. Brigida war nicht einen Tag männerlos geblieben.
    Als sie mich traf, hatte sie sich gerade von ihrem damaligen Freund getrennt. Sie hatte keine Zeit, sich zu fragen, wer ich wirklich war. Was sie gesehen hatte, gefiel ihr. Sekundenschnell hatte sie ihr Urteil über mich gefällt und nahm mich innerhalb weniger Stunden komplett in ihrem Leben auf.
    »Wo hast du dich bisher versteckt? Habe dich noch nie in der Szene gesehen.«
    Ich zog es vor, geheimnisvoll zu schweigen. Ich war für sie der verrückte, außergewöhnliche Phil, und ich wusste zum ersten Mal in meinem Leben, dass ich genau der sein wollte, den diese attraktive Frau mit dem breiten Mund und den großen Brüsten in mir sah. Seitdem bemühte ich mich, sie nicht zu enttäuschen. Mir blieb keine Zeit, wie früher in Sinnfragen zu versinken, denn meine neue Aufgabe hieß: Unberechenbar bleiben! Und das hielt mich den ganzen Tag in Atem.
    Freaks, irgendwie Freaks... Ich hatte Brigidas Freaks genau studiert, der Kameramann, dann der Vorbesitzer ihrer Galerie, der auch malte, und kurz vor mir das Kindergesicht mit dem Rastafilz auf dem Kopf, der sich
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