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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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standen jetzt vor meinem geöffneten Seitenfenster und schauten mich eindringlich an. Moment, wie war das noch? Sie hatte mir ja auch ihren richtigen Namen genannt, ein Name, der mich an eine Margarine erinnert hatte, ein alter Name, ein sehr katholischer Name. »Der Name seiner Mutter, etwas anderes kam für meinen Vater ja nicht in Frage.« Sie schien ihren Vater zwar zu mögen, aber den Namen, den er ihr gegeben hatte, fand sie so entsetzlich, dass niemand sie so nennen durfte. »Lella«, hatte sie leise gesagt, dabei verharrte ihre Zunge lange auf den Ls in der Mitte, wie um sich darauf auszuruhen.
    »Santinella! Lella!«
    Die beiden überlegten, zuckten die Schultern.
    » In ferie? Hotel?« Der Alte war schlau, er beugte sich weit zu mir in das Fenster hinein, wahrscheinlich wusste er auch, dass seine getönte Brille, ein Modell mit riesigen, braun eingefassten Gläsern im Stil der siebziger Jahre, zurzeit ultramodern war. Brigidas Musikerfreunde setzten sich so etwas auf.
    Nein, ich schüttelte den Kopf, ich wusste leider nicht, was Lella in Sizilien vorhatte. Ein Familienfest? Hatte sie nicht etwas in der Art gesagt? Ich schwitzte und versuchte, die Autotür aufzumachen. Unwillig wichen die beiden zurück, als ich ausstieg.
    »Sie hieß Santinella Bellone«, rief ich, erleichtert, dass mir ihr Nachname eingefallen war, und auch ein wenig stolz über die italienischen Wörter, die ich meiner Meinung nach sehr flüssig ausgesprochen hatte. »Lella, die große Schöne«, meine Übersetzung hatte sie verlegen in ihre Zeitschrift
schauen lassen, in der sie auf dem ganzen Flug nicht eine Zeile gelesen haben konnte. Sie hatte sie in ihrem Schoß hin und her gedreht, gerollt, wieder entrollt und zweimal fallen lassen.
    »Und! Momento...« Ich zupfte an meinem schwarzen Hemd und deutete auf meine Beine, die in dunklen Jeans steckten: »Nero, tutto nero!«
    Das war es! Die beiden Männer redeten durcheinander und zeigten in verschiedene Richtungen, der Alte bekreuzigte sich, während der Taxifahrer mir mit seiner Hand an der Schulter bedeutete, dass er mich wieder in sein Taxi laden wollte. Ich stieg wieder ein, wir fuhren davon.

Kapitel 3
    LELLA
    Der Fahrer kam mir bekannt vor. Er hatte eine aufgedunsene Figur und einen Babykopf -ein Säugling, den man zu einer Größe von einem Meter siebzig aufgepumpt hatte. Ich war mir sicher, dass er es gewesen war, der mich drei Monate zuvor, im Februar, auf der gleichen Route direkt vom Flughafen zu meiner Schwägerin Grazia gebracht hatte.
    Mit seinen dicken Händen umschloss das Baby das Lenkrad und rauschte mit mir über die Straßen. Ich war froh über sein Schweigen, so konnte ich in Ruhe nachdenken. Ausnahmsweise hätte ich in diesem Moment gerne geweint, konnte es aber nicht.
    »Du hast als Kind nie geweint«, sagte mein Vater oft voller Stolz. Vielleicht stimmt es sogar. Auf den wenigen Fotos, die es von mir gibt, lache ich. Auf keinem bin ich alleine zu sehen, immer steht, sitzt, liegt Leonardo neben mir, wir halten uns an den Händen, umschlingen uns, lachen. Leonardo hat angeblich auch nie geweint, aber über ihn sprach mein Vater nicht mehr.
    Im Taxi war es heiß, ich ließ die Scheibe einen Spalt hinuntersurren. In meinem Nacken spürte ich Kopfschmerzen heraufziehen, mit geradem Rücken presste ich mich gegen
die Lehne der Rückbank, holte mein Handy hervor und schrieb an Susa:
     
    Susa! Das wird heute Abend nichts mit uns, ich bin auf Sizilien.
     
    Die schnellste SMS-Schreiberin, die ich kannte, antwortete nicht, aber wahrscheinlich spritzte ihr gerade das Fett aus drei Pfannen auf ihre gestärkte Kochjacke, und sie konnte sich nicht melden. Susa war die eigentliche Chefin, nicht Bullerjahn, ich hatte sie oft besucht und gesehen, mit welchem Schwung und guter Laune sie allen großen und kleinen Küchenkatastrophen begegnete. War der letzte Sack Schalotten komplett faulig, die gefrorenen Focacciabrote bis zur Unkenntlichkeit zusammengepappt, der Spüler nicht erschienen? Alle, die Lehrlinge, die Spüler, die Aushilfen, selbst die anderen Köche gingen zu ihr. Susa wusste immer Rat, und Bullerjahn, der große Chef, zahlte ihr mehr als allen anderen. Dennoch würde sie sofort kündigen, um mit ihrem Ersparten und einem satten Kredit in die Selbststständigkeit zu springen. Dummerweise hatte sie mich als Partnerin eingeplant, die einzige unbestimmbare Zutat in ihrem Zukunfts-Rezept.
    Ich schaute hinaus, rechts von uns ragten die grauen Felsen empor, jetzt musste
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