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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
Autoren: Erik Kellen
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außer ihr zu hören vermochte. Robert drehte sich um. Er wollte gerade die Klinke fassen, als ihre Stimme ihn nochmals traf.
    »Sohn? Er mag ihre Farben nicht!«
    Robert verharrte. Er sah zurück in den weiten Raum voller nutzloser Möbel und Teppiche. Sie hatte nun die Hand vor dem Mund, ihre Lippen bebten, Wind drang durch das offene Fenster und zerzauste ihr grau gewordenes Haar.
    »Mutter?«
    Langsam wandte sie sich zu ihm um, blickte ihn über die blassen, gekrümmten Finger hinweg an, wie eine der Nornen, die in einem Schicksalsfaden liest. Ihre Stimme klang plötzlich tief und bedrohlich.
    »Er mag ihre Farben nicht!« schrie sie so plötzlich, dass er zurückwich. »Ihre Farben sind alt  … dunkel!« Und dann, als wäre kein Wort gefallen, sah sie wieder aus dem Fenster und summte ein Lied, das auffallend wie eines der Marine klang.
    Robert schloss die Tür und atmete einmal tief durch, schluckte schwer. War der Flur enger, die Blumen welker? Robert legte seine gesunde Hand auf das kühle Metall der anderen. Nur selten fand er Halt darin, aber jetzt …
    Er schüttelte benommen den Kopf, straffte seine Haltung.
    Er stieg die geschwungene Treppe hinunter, seine Schritte entfernten sich endlich von diesem Ort. Er packte seinen Mantel, stieg das Portal zum Wagen hinab, als Wesley ihn rief. Der Kammerdiener eilte hinter ihm her, huschte über den Kies, aber er tat es leise.
    »Zwei Briefe für Sie, Sir!« Er verbeugte sich. »Sie kamen eben erst durch das Familienlabyrinth!«
    Robert Humberstone blieb stehen, mitten im Regen, und nahm die beiden Umschläge entgegen. Er blickte an dem Butler vorbei auf das Schloss. Ein düsterer Klotz aus Türmen, Erkern und spitzen Mauern. Er hasste dieses Haus.
    »Sehr schön. Danke, Wesley.«
    »Ich wünsche Ihnen eine gute Reise, Sir.« Robert nickte kurz und stieg in die schwarze Limousine, an deren beiden Frontflügeln die Standarte des Empires prangte. Er wusste, dieser Wagen war mit Zaubern versehen, nicht einmal ein Schuss aus nächster Distanz konnte ihm einen Kratzer anhaben.
    Er legte Hut und Aktenmappe neben sich auf den Rücksitz, winkte dem Fahrer kurz zu, dass sie abfahren konnten. Der Rolls Royce Silver Ghost summte tief auf, und sie rollten die Allee hinunter zum Eingangsportal von Humberstone. Robert ließ die Trennscheibe hochfahren.
     
    Der erste Brief war von seiner Schwester, Caroline.
     
    Liebster Robert,
    wenn Du diese Zeilen liest, bin ich bereits seit einigen Tagen auf Island. Wir haben einige Höhlen im Norden der Insel entdeckt, die einer intensiveren Untersuchung wert sind, da sie sehr tief hinabreichen. Wir hoffen, dort neue geologische Funde zu machen, die uns eventuell helfen, das Wesen der Magie besser zu verstehen. Wie sehr ich doch darauf hoffe, zu enträtseln, wie die Magie entstanden ist und warum sie sich einst in Steinen manifestiert hat. So viele Fragen harren einer Antwort …
     
    Mit einem kleinen Lächeln las Robert den Rest der Zeilen, in denen seine Schwester beschrieb, wie sehr sie das Studium in Cambridge genoss. Er konnte es ihr nachfühlen. Humberstone Castle war ein Ort der Dunkelheit gewesen, selbst als ihr Vater noch lebte, doch nach seinem Tod war etwas in dieser Familie zerbrochen. Robert hätte es nicht benennen können, doch es war, als wären die Mauern und all ihr Atem darin grau geworden. Und kalt. Caroline hatte sich, so schnell es nur ging, an der besten Universität für Geologie und Archäologie eingeschrieben, die es in ihren Augen gab. Und kein Dekan des gesamten Empires konnte sich dem Namen Humberstone verweigern. Er gönnte es ihr von Herzen, glücklich zu sein.
     
    Der zweite Brief war von seinem Bruder, William.
    Seine Schrift war ein Gegensatz zu allem, was Robert kannte. Abgehackt, ruhelos, wie auf einem schwankenden Schiff geschrieben, was vermutlich sogar der Fall gewesen war, denn William war der Tradition ihres Vaters gefolgt, hatte sich schon mit elf auf die Planken eines Schiffs geworfen, als wäre dies der Nabel der Welt. Es waren kurze, ungeschliffene Sätze.
     
    Hi Rob,
    wie ich munkeln hörte, gehst Du nach Hammaburg. Wenn Du mal richtig Spaß da haben willst, besuch das »EISENAUGE».
    Ich hoffe, Mom geht es gut?
     
    Tut mir leid.
    W.
     
    Das stand unter jeder Nachricht von William: Tut mir leid. Seit acht Jahren.
    Robert kurbelte das Fenster einen Spalt auf, zerknüllte den Brief seines Bruders und warf ihn hinaus in den Regen.
     
    London funkelte wie ein verborgenes Juwel in der hellen
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