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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
Autoren: Erik Kellen
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hm?«
    Sie wollte es ihm sagen, doch A sah nur weiter auf den Schlagstock in Sweenys Hand. Eine schlecht geflochtene Schlaufe führte hinüber vom Griff bis zum Handgelenk. Einem starken Handgelenk. Einem wütenden Handgelenk.
    Sie hielt es plötzlich für besser zu schweigen - und zwar für immer. Sie schüttelte betrübt den Kopf und deutete auf ihre Kehle. Ein verständnisvolles Nicken war die Antwort. Der Mann erhob sich, den Hut aufsetzend.
    »Armes Kind, ist wohl …«, seine schmalen Schultern wandten sich dem Ausgang der Gasse zu. Dort blieb sein Blick auf der verbeulten Tür mitten auf der Kreuzung haften, »… ausgesetzt worden.« Er rieb sich das Kinn. »Was meinst du, Sweeny?«
    Der Angesprochene bewegte sich nur leicht. Folgte nur huschend dem Blick.
    »Wenn ich das anmerken darf, Nr. 7, dann würde ich sagen, dass sie eine aus den Territorien ist. Das schwarze Haar und die schrägen Augen weisen eindeutig darauf hin. Sie könnte eine Wild One sein. Wobei ich mir da ziemlich sicher bin.« Dabei sah er auf A hinunter, als habe er gerade richtig Spaß.
    Nr. 7 drehte sich wieder zu ihnen herum und hielt seine Taschenlampe mitten auf ihr Herz.
    »Und ... bist du eine Wild One , Kleine?« Das Zaghafte schlich aus seiner Stimme. Er hatte ein längliches, offenes Gesicht von einer gewissen Unbekümmertheit, so als kenne er noch auf ganz andere Fragen ganz eigene Antworten. A schüttelte langsam den Kopf. Sie wollte gar nichts sein. »Da siehst du´s Sweeny - keine von denen.«
    »Aber Sir«, brauste dieser auf, schnellte herum, ließ sie endlich aus dem Knoten seiner engen Fesselaugen. Während er wütend zischte, schaffte es A, auf die Füße zu kommen. Blut rann warm an ihrem Schienbein herunter. Die Ellenbogen heulten.
    »Die lügen doch schon, wenn sie´s Maul aufmachen. Die pissen sogar Lügen, das weiß jeder. Und die machen diese abscheulichen ...« Er wandte sich wieder ihr zu, erstarrte, weil sie plötzlich vor ihm stand und riss erstaunt die Augen auf. Sie hatte gekrümmt auf dem Asphalt gelegen, schwer abzuschätzen, wie groß da jemand ist. Jetzt sah sie ihm direkt ins Gesicht. Doch die Überraschung währte nicht lang. Sein Blick wurde grinsend, das Leder um den Schlagstock knarrte nass, als er die Faust fester darum schloss. A blieb stehen, wo sie war. Sie wollte nach Hause. Zumindest irgendwohin, wo es trocken war.
    »Na endlich«, flüsterte er ihr entgegen, hob den Knüppel. Da spuckte sie ihm vor die Stiefel.
    A war nie lange an einem Ort gewesen, doch sie hatte dabei einiges von ihrem Vater gelernt. ›Spucke jemanden an und du verkündest deine ungezügelte Wut, spucke jemandem vor die Füße und du zeigst damit deine grenzenlose Verachtung. Mit dem einen verurteilst du das, was er getan hat, mit dem anderen sein wertloses Sein, sein gesamten Leben! Es gibt kaum etwas Schlimmeres, dort wo wir herkommen.‹
    Sweeny schien zumindest einen Teil dessen zu begreifen, was sie da gerade getan hatte. Ein heiseres Knurren entfuhr seinem bebenden Schnurrbart.
    »Dafür …«, doch weiter kam er nicht. Die hohen Töne einer kurzen Sirenenfolge plärrten durch Stein, Mensch, Knochen.
    »Scheiße, sind die flink«, fluchte er, straffte sich im Nu und steckte schnell den Stock beiseite, als habe man ihn erwischt. Die Sirene erstarb, sie ertönte nur dieses eine Mal. Unheimlich.
    A schwankte. Ihre linke Hand klatschte nach Halt suchend an eine Mauer. Sie sah hinauf. Gebrannte Ziegel, dunkel, tropfnass, himmelhoch, blinde Fenster, die allesamt verhangen waren. Sie war allein. Eingekreist. Liegen gelassen.
    Sie blinzelte Regen von den Wimpern, trat einen Schritt zurück. ›Geh nach Hause, A. Ja, tue das.‹ Doch sie hatte nie ein Zuhause gehabt. Eine halb zerbrochene Flasche flutschte unter ihrem Hacken weg und klimperte gläsern gegen die Wand. Die ganze Welt hörte es.
    »Das ist eine Sackgasse, Mädchen!« Diese Stimme war neu, monoton, ohne jede Schwingung, als hätte sie einen Winterhimmel vor dem Mund.
    A drehte sich um, sah auch hier gegen eine Wand. Ende. Aus.
    »Wir können das ganz einfach machen, A, oder ...« 
    Sie mochte die Stimme nicht. Und sie mochte es nicht, dass sein  A so viel kleiner klang als das ihres Vaters. Sie stand vor der Wand und hob einen Fuß in die länglichen Fugen, ihre Finger suchten weiter oben. Etwas Hartes legte sich auf ihre linke Schulter. Sie konnte das Leder daran riechen.
    »Tu mir den Gefallen, ja?« Es war Sweeny. Ganz Flüstern. Sein Atem blies rau in ihren
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