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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
Autoren: Erik Kellen
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des Morgenlichts, das durch die Fenster strömte, angeschaltet war und einen hellen Fleck auf den dunklen Tisch warf. Neben ihr an der Wand hing ein Bild voller Gischt schäumender Wellen, in einem Sturm, den man nicht hören konnte. Darunter stand in großen Buchstaben: ATLANTIK .
    »Mein Name ist Agathe Redbliss.«
    A schreckte auf. Was sollte sie tun? Was würde eine weitere Verweigerung für Konsequenzen haben? ›Sollten wir durch was auch immer getrennt werden, A, traue niemandem niemals.‹ Das hatte ihr Vater ihr jeden einzelnen Tag eingebleut. Doch er saß nicht hier auf diesem Stuhl, in diesem Raum. Wenn er überhaupt noch am Leben war. Der Gedanke ängstigte sie mehr, als sie es jemals für möglich gehalten hätte. Plötzlich war sie ganz allein. Alles, was ihr je Halt gegeben hatte war verschwunden. Es war einfach fort. Sie war dort draußen auf dem Atlantik, konnte nicht schwimmen. Und sie war so entsetzlich müde.
    »Anevay«. Sie flüsterte den Namen, hoffend, er würde den Weg über den Schreibtisch nicht schaffen.
    »Das ist ein Name der Stämme, nicht wahr?« Sie hörte die Spitze des Füllfederhalters auf dem Papier kratzen. Stämme, so nannten sich die Ureinwohner Nordamerikas selbst. Territorie hingegen war nur ein anderes Wort für Abschaum.
    »Ja.« Ihre Stimme war bis in ihren leeren Bauch gefallen.
    Die graue Dame legte den Stift beiseite, faltete die Hände zu einem spitzen Zelt zusammen und sah sie freundlich an.
    »Nun, Anevay, ich möchte dir helfen, das möchte ich wirklich …«
    »Dann lassen Sie mich bitte gehen«, flehte sie, von einem solchen Heimweh nach ihrem Vater gepackt, dass es wehtat.
    »Das darf ich leider nicht. Die Gesetze sind streng, aber gerecht. Es sind schwierige Zeiten. Zumindest für eine Weile musst du hier bleiben.« Pause. »Bist du eine Wild One , Anevay?«
    Die Frage traf A wie eine Ohrfeige. Sie wusste, was damit gemeint war. Und sie wusste, wie man jene Menschen prüfte, von denen man glaubte, sie hätten Magie in sich. Tosende Angst fuhr ihr in die Glieder. Sie wusste von Zauberei und von jenen, die sie auszuüben vermochten. Ebenso, dass Magie in der Familie blieb. Aber sie hatte ihren Vater nie zaubern sehen, und ihre Mutter war gestorben, als sie ein Jahr alt gewesen war. A hatte keinerlei Erinnerung an sie. Mrs Redbliss musste ihren erschrockenen Blick richtig gedeutet haben, denn sie hob beschwichtigend die Hände.
    »Keine Angst, Anevay. Ich weiß, dass Magie erst mit dem Zyklus des Mondes bei den Frauen einsetzt. Du bist zwar groß gewachsen, aber deine Brüste sind sehr klein, deine Hüften noch schmal, du hast diesen Tag noch nicht erlebt, oder?«
    A schüttelte den Kopf, mit den Tränen kämpfend. Zu klein. Zu schmal.
    »Ich möchte eine Fotografie von dir machen, darf ich das?« Die Tonlage ihrer Stimme hatte sich gehoben, ganz sanft. Erregung und Neugier darin.
    Was sollte sie tun? Nein sagen!? A nickte.
     
    Die graue Dame half ihr aus dem Stuhl, ging mit ihr zu der Wand mit dem Sturm aus Farben, drückte einen verborgenen Knopf und ein Teil der Vertäfelung schnellte zur Seite. Dahinter war ein gänzlich weißer Raum, nur in seiner Mitte stand eine Fotoapparatur auf einem dreibeinigen Stativ. Kein Fenster. Licht flackerte auf. Es war ein kleiner Raum. An einer der Wände war ein hölzerner Rahmen mit Maßeinheiten angebracht worden, wie eine Tür die nirgendwo hinführte.
    A musste sich in diesen Rahmen stellen. Mrs Redbliss forderte sie auf, aufrecht zu stehen, und A reckte alle verbliebene Kraft nach oben.
    »Ein Meter und zweiundsiebzig.« Sie notierte es auf dem Klemmbrett. A fühlte sich zunehmend unwohl, zur Schau gestellt. Dann positionierte Mrs Redbliss die Kamera, ein wahres Ungetüm aus Holz, kupfernen Röhren und schwarzen Falten. Dieses Mal blieb A einfach nur auf den Beinen, während Mrs Redbliss´ Kopf unter einem roten Tuch verschwand, dann einen Arm darunter heraus schlängelte und die Kappe der Linse abnahm. A hörte sie zählen, stand stocksteif da, vernahm endlich ein leises Klicken. Die Linse wurde wieder verschlossen. Das blonde Haar tauchte wieder auf.
    »Das war es schon beinahe.« Sie lächelte A an, aber ihre Augen waren dabei wachsam. Sie fuhr sich über die Narbe am Finger, als ob sie juckte. Heute würde es noch mehr Regen geben. Dann leuchtete sie A mit einer Stablampe, kaum größer als ein dicker Bleistift, in die Augen, und sie musste dem ausgestreckten Finger folgen, den Mrs Redbliss vor ihrem Gesicht hin und
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