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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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gestattete es Gurneys Verwalter, sie zu einer Wendeltreppe zu ihrem Zimmer zu führen. Maltote, der immer noch nicht ganz wach war, hatte Schwierigkeiten, auf Ranulfs Spott zu reagieren, und hätte ohne Hilfe des Verwalters nicht wieder in das Zimmer zurückgefunden, das sie teilen sollten. Dieser erklärte, das Haus sei voller Besucher und Gäste, so daß nicht alle ein Einzelzimmer bekommen könnten. Corbett dankte ihm, drückte ihm eine Münze in die Hand und schloß dann leise die Tür hinter ihm. In dem Zimmer standen drei Betten mit dicken Matratzen und schweren Keilkissen, die vermutlich mit Schwanenfedern gefüllt waren. Auf dem Holzfußboden lagen wollene Teppiche, und es brannten so viele Kerzen, daß sich Corbett an eine Kirche erinnert fühlte. Nach der strapaziösen Reise kam dem Bevollmächtigten dieser warme und süßlich duftende Raum äußerst luxuriös vor. Am Fußende eines jeden Bettes standen eine Truhe und außerdem an der Wand ein großer Schrank. An der Wand hingen zwei Gemälde: Christus’ Auseinandersetzung mit dem Teufel in so leuchtenden Farben, daß sich der schwarze Versucher wirklich vor dem Gottessohn zu winden schien. Das andere war eine friedlichere Szene, eine junge Frau mit Stickerei vor einem Fenster mit Blick auf die tiefblaue See.
    Ranulf und Maltote waren bereits in eine Unterhaltung vertieft. Sie saßen auf einer Bettkante und stöhnten über den kalten und unwirtlichen Landstrich, in den es sie verschlagen hatte. Die Diener hatten bereits ihre Satteltaschen ausgepackt. Corbetts Urkundenbeutel war natürlich unberührt: Er war mit Schnallen versehen und mit einem persönlichen Siegel gesichert. Corbett durchquerte das Zimmer und öffnete eines der Bleiglasfenster. Er kümmerte sich nicht weiter um Ranulfs Proteste und ließ die kalte Nachtluft hereinströmen. Ihr Zimmer lag offensichtlich zum Meer hin, denn das Rauschen des Meeres war schwach zu hören. Der Nebel hob sich. Er konnte einen Flecken Wasser erkennen und hörte schwach den Schrei der Möwen. Gerade schloß er das Fenster wegen der Kälte, als eine große Motte, die vom Licht angezogen worden war, hereinflatterte.
    »Warum sind wir hier, Herr? Ich meine, warum sind wir wirklich hier?« Ranulf stellte die Frage für sich, aber auch für Maltote. »Ich weiß es nicht«, entgegnete Corbett. »Ich weiß nur, daß der König und John de Warenne einen geheimen Plan haben, deshalb ist Monck auch hier. Wir werden es früher oder später schon erfahren.« Er starrte auf das Bleiglas. »In London ist es jetzt bereits dunkel. Maeve wird noch am Tisch sitzen. Und Uncle Morgan wird eine von seinen Geschichten erzählen.« Corbett nagte an seiner Unterlippe. Maeves Onkel hatte nur ein paar Wochen bleiben wollen und wohnte jetzt schon fast ein Jahr bei ihnen. Der ausgelassene walisische Edelmann war immer voller Pläne, er stürzte sich begierig in die Londoner Gesellschaft und gab sich gern dem Genuß von Ale hin. Früher oder später torkelte er dann nach Hause und sang dann seine Großnichte, die kleine Eleanor, mit einem walisischen Wiegenlied in den Schlaf.
    »Eigentlich sollte ich jetzt dort sein«, sagte Corbett halblaut. »Wie bitte, Herr?«
    Corbett machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen, sondern schüttelte nur den Kopf. Ranulf verzog das Gesicht und blinzelte Maltote zu.
    »Der alte Meister Langschädel hat wieder eine von seinen Launen!« flüsterte er.
    Zur Abwechslung hatte Ranulf einmal recht. Corbett machte sich Sorgen. Er hatte zuviel Zeit getrennt von Maeve und seiner Tochter verbracht. Oh, seine Frau wurde damit ohne Schwierigkeiten fertig. Sie kümmerte sich um ihre Geschäfte, und ihre Gerissenheit machte sie zum Schrecken aller Kaufleute. Das Gut Leighton hatte reiche Ernten zu verzeichnen. Aber der König wurde alt, und seine Launen gestalteten sich immer unberechenbarer und grausamer. Und wenn er starb, was dann? Würde der Prinz von Wales mit seiner Leidenschaft für Jagd, Musik und hübsche junge Männer die Dienste von Corbett immer noch benötigen? Der Krieg mit Frankreich würde ein Ende nehmen - der Prinz war bereits mit der Tochter Philipps IV., Isabella, verlobt. In Schottland würde Wallace früher oder später geschlagen werden - es war nur noch eine Frage der Zeit, wann die Truppen des Königs ihn fangen und dann töten oder zur Hinrichtung nach Süden bringen würden. Vielleicht sollte ich die Dienste des Königs jetzt verlassen, dachte Corbett, sollte dem Beispiel Gurneys folgen und mich
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