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Das Lied des Dunklen Engels

Das Lied des Dunklen Engels

Titel: Das Lied des Dunklen Engels
Autoren: Paul C. Doherty
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sich hin murmelnd. Es wurde dunkler, und der Nebel verdichtete sich. Gelegentlich drehte sich Corbett um, um Ranulf zur Vorsicht zu mahnen. Er hielt sein Pferd an und schaute, als sie den unheimlichen Galgen erreichten, der zwischen dem Pfad und der Spitze des Kliffs aufragte, zu den Resten eines Stricks hoch, der von einem rostigen Eisenhaken herabhing.
    »Haben sie hier die zweite Leiche gefunden?« fragte Ranulf. <. »Offensichtlich«, entgegnete Corbett. »Die Frau des hiesigen Bäckers. Sie verschwand einfach von zu Hause. Am nächsten Morgen fand man sie hier am Galgen baumelnd. Ein unschuldiges Opfer, hingerichtet an einem Ort, wo normalerweise Mörder aufgeknüpft werden.« Corbett drehte sich um. »Wer ist zu so etwas imstande, Ranulf? Wer käme auf die Idee, eine arme Frau so bestialisch zu ermorden?« Er schaute auf das Schafott, das ihn um mindestens fünf Fuß überragte.
    »Ich vermute, daß sie bei Nacht ermordet wurde«, fuhr Corbett fort. »Aber warum ausgerechnet hier?«
    Er schaute auf den Fuß des Galgens, stieg ab und warf Ranulf die Zügel zu. Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Er kniete sich hin und hob von der Erde neben dem Galgen einen Strauß welker Wiesenblumen auf.
    »Was ist los?« fragte Ranulf ungeduldig.
    »Wer hat die hierhergelegt?« fragte Corbett.
    »Wer wird das schon gewesen sein, Herr, der Ehemann der armen Frau oder jemand aus ihrer Familie.«
    Corbett schüttelte den Kopf. Er schnupperte an den braunen, verfaulten Stengeln.
    »Nein, sie liegen schon seit Wochen hier.«
    »Vielleicht die Verwandten von einem hingerichteten Schwerverbrecher«, murrte Ranulf durch zusammengebissene Zähne. »Sir Hugh, um Himmels willen, ich erfriere! Ich habe schon kein Gefühl mehr in den Beinen und, was schlimmer ist, dazwischen!«
    Corbett warf die Blumen zu Boden, wischte sich die Hände an seinem Umhang ab, ließ sich die Zügel geben und stieg wieder auf. »Soweit darf es wirklich nicht kommen, oder, Ranulf? Ein fürchterlicher Verlust für sämtliche Damen in London!«
    Er gab seinem Pferd die Sporen. Ranulf streckte ihm hinter dem Rücken die Zunge heraus und trauerte im stillen um die dralle kleine Witwe - braunhaarig und fröhlich mit den süßesten Augen und weichsten Armen, die ihn jemals umfangen hatten. Er hatte sie in London kennengelernt und war gezwungen gewesen, sie zurückzulassen, weil Meister Langschädel, der jetzt vor ihm herritt, von König Edward den Befehl erhalten hatte, nach Norden zu ziehen.
    »Ich hoffe«, murmelte Ranulf halblaut vor sich hin, »daß es ihm genauso kalt zwischen den Beinen ist wie mir!«
    Er folgte seinem Herrn, der jetzt langsamer, im Trab, ritt, aus Sorge, sein Pferd könne den Halt oder die Richtung verlieren. Der Nebel war dichter geworden, und unterhalb von ihnen donnerte und krachte immer noch die wütende See. Die Ruinen der alten Eremitage kamen in Sicht. Das meiste lag jedoch hinter einer hohen Blendwand aus Sandstein verborgen. Corbett stieg der Geruch von Holzfeuer und Rinderbraten in die Nase. Sein Magen rumorte, und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. »Gehen wir hinein, Herr?« flüsterte Ranulf.
    »Nein, nein.«
    Corbett folgte dem Pfad, der um die Eremitage herumführte, und trieb sein Pferd zum Galopp an. Er wollte hier nicht verweilen, ehe er mit Sir Simon Gurney gesprochen hatte. Ranulf war ihm dicht auf den Fersen. Er war sich sicher, einen Ruf hinter sich gehört zu haben, aber Corbett gab ihm einen Wink, weiterzureiten, und sie trabten auf die Lichter von Mortlake Manor zu. Schließlich führte der Pfad weg vom Meer und dann etwas bergab. Ranulf hätte fast vor Freude gebrüllt, als das Tor des Herrenhauses mit flackernden Wandleuchtern darüber in Sicht kam.
    »Wehe, wenn Maltote noch nicht hier ist!« rief er. »Ich hoffe, dieses faule Subjekt hat ihnen gesagt, daß wir auf dem Weg sind.«
    »Keine Sorge«, entgegnete Corbett.
    Ralph Maltote, der Kurier des Bevollmächtigten, hatte vielleicht nicht viel im Kopf, aber er war ein ausgezeichneter Reiter und besaß den Instinkt eines Jagdhundes, wenn es darum ging, sich auf den verschlungenen Straßen und Wegen Englands zurechtzufinden. Ranulf stieg ab und hämmerte gegen die kleine Tür, die in das Haupttor des Herrenhauses eingelassen war.
    »Komm schon! Komm schon!« murmelte er. »Ich erfriere!«
    Das Tor wurde weit geöffnet Ein geschäftiger Diener schaute ihnen entgegen und bat sie, auf den großen gepflasterten Hof zu reiten, der vor dem befestigten Herrenhaus
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