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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege
Autoren: Ricarda Martin
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sondern auch ihre Lebensweise war absolut ungewöhnlich. Die Menschen waren von der Akteurin einerseits schockiert, zugleich aber auch von ihrer unnachahmlichen Art, wie sie sich auf der Bühne präsentierte, fasziniert. Man kann zu Recht sagen: Sarah Bernhardt revolutionierte das Theater des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
    In ihrem Leben gab es viele Männer, über den Vater ihres einzigen Sohns Maurice gibt es, ähnlich wie über ihre eigene Abstammung, keine gesicherten Angaben. Sarah Bernhardt war aber nicht nur wegen ihres großen schauspielerischen Könnens auf der ganzen Welt berühmt, sondern auch wegen ihres exzentrischen Lebenswandels. Meistens hüllte sie sich in duftige, flatternde bunte Gewänder, trug kein Korsett, rauchte Zigaretten und Zigarren, hielt sich exotische Tiere, wie Schlangen und einen Puma, und lebte äußerst verschwenderisch. Obwohl es um die Wende zum 20. Jahrhundert weltweit keine andere Schauspielerin gab, die auch nur annähernd so hohe Gagen wie Madame Sarah erhielt, litt sie unter ständiger Geldnot. Sie gab ihr Geld gern für schöne Dinge aus – und für Männer, die stets ihr Leben begleiteten und, je älter Sarah wurde, immer jünger waren.
    Manche Quellen berichten, Madame Sarah sei aus Geldnöten gezwungen gewesen, weiterhin auf der Bühne zu stehen, als man ihr im Alter von 72 Jahren das rechte Bein amputierte. Sie weigerte sich, eine Prothese zu tragen, und hüpfte einbeinig auf die Bühne, wo sie sich in einem Sessel niederließ und ihre unvergleichlichen Monologe rezitierte, denn ihre Stimme und ihre Ausstrahlung hatten auch im Alter nichts von ihrer Faszination verloren. Ich persönlich bin der Meinung, dass Sarah Bernhardt einfach nicht von den »Brettern, die die Welt bedeuten« lassen konnte. Ihr Wunsch war es, wie ihr berühmter Kollege Molière auf der Bühne während eines Schauspiels zu sterben. Dies war ihr jedoch nicht vergönnt. Im Jahr 1922 sollte sie in dem Stück
Un Sujet de Roman
von Sache Guitry eine der Hauptrollen übernehmen, wurde jedoch am Abend der Generalprobe für eine Stunde bewusstlos. Man verschob die Premiere, suchte nach einer anderen Schauspielerin, und das Stück wurde mit dieser ein großer Erfolg. Sarah Bernhardt, deren Herz an der Rolle hing, war gebrochen. Sie erkrankte schwer und konnte ihr Bett nicht mehr verlassen. Am 26. März 1923 starb sie in ihrem Haus in Paris. Entgegen ihrer Lebensweise wurde sie in einem schlichten Mausoleum auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise zur letzten Ruhe gebettet.
    Eine Begegnung zwischen Susan und Madame Sarah im London des Jahres 1907 ist durchaus möglich, da sich Sarah Bernhardt zu dieser Zeit auf einer Gastspielreise durch England befand. Auch ist es nicht reine Fiktion, eine spontane Sympathie und eine daraus resultierende Freundschaft zwischen den Frauen zu schildern, da Madame Sarah rasch neue Freundschaften schloss – diese aber ebenso schnell wieder vergaß, wenn neue, für sie interessantere Menschen ihren Weg kreuzten. Historisch fundiert ist die Geschichte, als der englische Offizier auf die Belle-Île eingeladen wurde und dann vor verschlossener Tür stand, weil sich die Diva weder an ihn noch an die Einladung erinnern konnte (oder wollte). So grandios Sarah Bernhardt als Akteurin war, so wankelmütig war sie gegenüber den Menschen, mit denen sie sich umgab.
     
    Im weiteren Verlauf der Geschichte geht meine Protagonistin Susan an Bord der
RMS Titanic
, um ein Engagement in New York anzunehmen. Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich dieses Schiff wählen soll, denn es mag auf den ersten Blick vielleicht wie ein Klischee erscheinen. Dann habe ich mich jedoch intensiv mit den realen Hintergründen der bis dahin größten Schiffskatastrophe in der weltweiten Seefahrt beschäftigt und festgestellt, dass es doch noch einiges zu erwähnen gibt, das nicht schon in vielfältiger Weise erzählt worden ist. Bei der Recherche richtete ich mein Hauptaugenmerk auf Augenzeugenberichte von Überlebenden, die einstimmig erklären, dass es – bis das Schiff sich steil aufrichtete – keine Panik unter den Passagieren gab. Man muss dabei die damalige Zeit beachten: Die Menschen, auch die adligen und vermögenden der ersten Klasse, waren es gewohnt, von Offizieren Anweisungen zu erhalten, ohne diese in Frage zu stellen. Außerdem gingen alle an Bord davon aus, dass die
Titanic
unsinkbar war, und die Menschen hatten Vertrauen in die Schiffsführung, dass der Schaden rechtzeitig behoben
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