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Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)

Titel: Das Licht hinter den Wolken: Lied des Zwei-Ringe-Lands (German Edition)
Autoren: Oliver Plaschka
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auszuharren. So bewachen sie sich gegenseitig, sie immer wütender, er immer betrunkener. Sie allein in ihrer Ecke, er im Kreise Bruder Titos, desBauern Spenkel und des alten Stellmachers, die ihm aufmerksam zuhören, daneben das Fass mit dem Branntwein.
    Das Fass macht Aprils Vater das unverdiente Glück seines Schwagers erträglich und seinen Wunsch nach gleichem Glück gerecht. Er hat genauso in der Fremde gekämpft wie sein Schwager, erklärt er Bruder Tito, hat er da nicht Besseres verdient als das ? Bruder Tito mag ihm da nicht widersprechen. Vor allem aber will er weiteres Unheil von dem guten Küfer abwenden.
    Mitternacht ist lange vorbei, da packt Aprils Vater sie bei der Hand und schleppt sie nach Hause. Zu diesem Zeitpunkt kann er kaum noch laufen, ist mit seiner Beweisführung aber noch lange nicht fertig.
    »Du«, sagt er. Er nennt sie nie beim Namen, wenn es sich vermeiden lässt. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Kannst dein Leben ruinieren wie du willst, aber mich wirst du nicht ins Grab bringen!«
    April merkt, wie betrunken er ist, und weiß, wie die Nacht enden wird, so gewiss wie mit dem Aufgang der Sonne, doch es ist ihr egal.
    »Was«, schreit sie, »weil ich nicht getanzt habe? Weil mir schlecht wird von –«
    Er schlägt ihr schallend auf den Mund. Sie taumelt und schmeckt Blut auf den Lippen. Ehe sie reagieren kann, hat er sie wieder bei der Hand und zieht sie weiter.
    »Halt dich ja nicht für etwas Besseres«, murmelt er. »Ich bin der, dem es schlecht werden sollte bei dem, was ich kriege! Ist das der Dank?«
    Sie erreichen ihr Haus, und er stößt sie über die Veranda und zur Tür hinein. Sie stolpert zum Esstisch und ringt um Atem, während er mit schwerer Hand die Glut im Kamin schürt. Es ist dunkel und stickig im Wohnraum und riecht nach dem Kraut und den Klößen vom Mittag. »Wer im Dorf wird für dich einen Brautpreis zahlen?«, fragt er. »Der Idiot mit seinen Würmern vielleicht? Oder Bruder Tito?«
    April wird eiskalt.
    »Meine eigene Tochter verführt einen Priester! Was, wenn sich das rumspricht?«
    »Ich habe ihn nicht –«
    »Wage es nicht, mich anzulügen!«, schreit er und kommt auf sie zu. Mit dem Rücken zur Glut kann sie nur seine Silhouette sehen. In der Hand hält er den Schürhaken. »Kommst dir wohl sehr schlau vor! Soll ich dich vielleicht ewig aushalten?«
    »Ich will nicht –«
    »Was willst du nicht?«, brüllt ihr Vater und hebt den Schürhaken.
    »Ich will weg von hier«, bringt sie hervor und hält den Arm vor ihr Gesicht.
    Er schnaubt. »Und dich mit einem Fremden einlassen? Weißt du, was man kriegt, wenn man sich mit denen einlässt?«
    Er reißt sie vom Tisch weg und wirft sie vor den Kamin.
    »Willst du’s wissen? Willst du’s sehen?«
    Sie schreit und will aufstehen, doch er ist über ihr und drückt sie auf die Dielen. Der Schürhaken poltert neben ihr zu Boden, und sie riecht verbranntes Holz. Rot und orange flackern die glühenden Kohlen auf seinem Gesicht, und darunter brodelt die alte, dunkle Leere, droht, aus ihm hervorzubrechen.
    »Willst du sehen, was man kriegt, wenn man sich mit Fremden einlässt?« Mit diesen Worten reißt er sein Hemd entzwei und entblößt seinen von Narben gezeichneten Bauch. Sie riecht Branntwein und Schweiß und spürt Übelkeit in sich aufsteigen.
    »Willst du wissen, wie das ist?« Er greift nach dem Schürhaken und packt ihr Hemd. Sie schreit und kämpft, doch er ist zu stark und reißt es ihr vom Leib.
    »Das ist, was man kriegt!«, schreit er. Sein Atem ist laut und schnell wie der alte Teekessel, wenn er zu lange auf dem Herd stand. »Das ist, was man kriegt!« Alles um sie herum tut sich auf wie Mäuler, und es trifft sie mit der Wucht eines Faustschlags in die Magengrube. Da ist sie, die kreisende Leere, direkt hinter seinerStirn – sie macht ihr in diesem Moment mehr Angst als das, was er ihr antun könnte, denn sie ist alles, was mit der Welt nicht stimmt, und zeigt sich in ihm wie Fäulnis auf einem Stück Obst. Ihr Vater ist diese Fäulnis.
    Sie reißt die Augen weit auf und starrt ihm ins Gesicht, schreit ihr Entsetzen heraus.
    Ihr Vater erstarrt, als hätte er einen Geist gesehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben sieht April etwas wie Angst in seinen Zügen. Seine Hand sinkt herab.
    Dann grunzt er, steht auf und stapft aus dem Raum.

SARIKS ERWACHEN
    D as Gefühl des Alters aus seinem Traum wirkte noch nach, und es kam ihm vor, als hätte er sehr lange Zeit geschlafen. Eine Weile versuchte er zu
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