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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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und klappte den Mund sachte zu.
    »Danke.«
    Sie fuhr herum. Bobby – ein anderer Bobby, der genauso gekleidet war wie der erste – stand feixend neben ihr. Empört versetzte sie ihm einen Knuff in die Magengrube. Die Faust ging natürlich durch ihn hindurch. Er zuckte nicht einmal zusammen.
    »Dann sehen Sie mich also«, sagte er.
    »Ich sehe Sie.«
    »Sie haben Netzhaut- und Cochlearimplantate, ja? Dieser Raum wurde als Produktionsstätte für Virtuelle konzipiert, die mit der CNS-verstärkten Technologie abwärtskompatibel sind. In meinen Augen hocken Sie gerade auf einem gemein aussehenden Phytosaurier.«
    »Einem was?«
    »Einem Krokodil aus der Trias. Dem übrigens dämmert, dass Sie auf ihm sitzen. Willkommen, Ms. Manzoni.«
    »Kate.«
    »Ja. Ich freue mich, dass Sie meiner, unsrer Einladung zum Abendessen gefolgt sind. Obwohl ich nicht erwartet hätte, dass Sie ein geschlagenes halbes Jahr brauchen würden, um sich zu einer Entscheidung durchzuringen.«
    Sie zuckte die Schultern. »Hiram wird immer reicher ist nicht gerade ein toller Aufhänger.«
    »Ähem. Was impliziert, dass Sie auf etwas gestoßen sind.« Er hatte natürlich Recht, und Kate enthielt sich einer Antwort. »Oder«, sagte er, »vielleicht sind Sie endlich meinem charmanten Lächeln erlegen.«
    »Das wäre ich vielleicht auch, wenn Sie nicht gesabbert hätten.«
    Bobby warf einen Blick auf sein bewusstloses Alter Ego. »Eitelkeit? Sollen wir etwa auf unser Äußeres achten, wenn wir eine virtuelle Welt erforschen?« Er runzelte die Stirn. »Aber vielleicht haben Sie Recht. Ich sollte meine Marketing-Leute darauf ansetzen.«
    »Ihre Marketing-Leute?«
    »Sicher.« Er ›nahm‹ ein metallenes Stirnband von einer Liege neben sich; es handelte sich um eine virtuelle Kopie, die vom Original losgelöst wurde, das auf der Couch liegen blieb. »Das ist das Geistige Auge. Die neueste VR-Technologie von OurWorld. Möchten Sie es auch einmal versuchen?«
    »Lieber nicht.«
    Er musterte sie. »Eine VR-Jungfrau sind Sie aber auch nicht mehr, Kate. Ihre sensorischen Implantate…«
    »… erfüllen gerade einmal die Mindestanforderungen, um in der modernen Welt klarzukommen. Haben Sie schon mal versucht, ohne VR-Fähigkeiten sich im SeaTac Airport zurechtzufinden?«
    Er lachte. »Ich werde immer durchgeschleust. Ich glaube, Sie halten das alles für eine großangelegte Unternehmens-Verschwörung.«
    »Natürlich ist es das. Die technologische Invasion unsrer Wohnungen, Autos und Arbeitsplätze hat schon lang den Sättigungspunkt erreicht. Nun wollen sie auch noch Zugriff auf unsre Körper.«
    »Regen Sie sich ab.« Er hielt das Stirnband hoch. Es war ein rekursiver Moment, sagte sie sich, eine virtuelle Kopie von Bobby, die eine virtuelle Kopie eines virtuellen Generators hielt. »Das hier ist etwas anderes. Versuchen Sie es mal. Machen Sie einen Trip mit mir.«
    Sie zögerte erst – dann wurde sie sich bewusst, dass ihr Verhalten unhöflich war, und sie willigte ein. Schließlich war sie hier nur ein Gast. Sein Angebot einer intravenösen Behandlung lehnte sie jedoch ab. »Wir schauen uns nur mal kurz um und kommen zurück, bevor unsre Körper zerfallen. Einverstanden?«
    »Einverstanden«, sagte er. »Machen Sie es sich auf einer Couch bequem und legen Sie das Stirnband an.« Vorsichtig hob er die virtuelle Garnitur über den Kopf. Sein konzentriertes Gesicht war wirklich schön, sagte sie sich; er sah aus wie Jesus mit der Dornenkrone.
    Sie legte sich auf eine Couch und nahm sich auch ein GeistigesAuge- Band. Es war warm und elastisch, und als sie es über den Kopf streifte, schien es sich an den Schädel anzuschmiegen.
    Dann zwickte das Band. »Autsch.«
    Bobby setzte sich auf der Couch auf. »Infusoren. Keine Sorge. Der Input erfolgt hauptsächlich transcranialis über magnetische Stimulation. Nach dem Neustart werden Sie aber nichts mehr spüren…« Als er sich wieder hinlegte, sah sie, wie seine beiden Körper aus Fleisch und Bildpunkten sich kurz überlagerten.
    Der Raum wurde verdunkelt. Für ein paar Sekunden sah und hörte sie nichts mehr. Das Körperbewusstsein verschwand, als ob ihr das Gehirn aus dem Schädel gesaugt worden wäre.
    Sie spürte, wie sie mit einem unmerklichen Aufprall in den Körper zurückfiel. Sie stand.
    In einer Art Schlamm.
    Hitze und blaues, grünes und braunes Licht schlugen über ihr zusammen. Sie befand sich an einem Flussufer und war bis zu den Knöcheln in zähen schwarzen Schlick eingesunken.
     
    Der Himmel
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