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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens
Autoren: Jennifer Donnelly
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bereitete. Das war nur eine Ausrede. Er kannte alle Leute in den Hotels und wußte, daß die meisten von ihnen anständige Häuser führten. Es war die Angst, daß ihn wieder jemand verlassen würde. Ich wollte ihm widersprechen, ihm den wahren Grund vor Augen führen, aber sein Kiefer war angespannt, und an seiner Wange sah ich einen kleinen Muskel zucken. Lawton hatte diesen Muskel oft zum Zucken gebracht. Das letzte Mal, als das geschah, holte Pa mit einem Flößerhaken gegen ihn aus, er rannte davon, und monatelang hatte niemand mehr etwas von ihm gehört. Bis eine Postkarte aus Albany kam.
    Wortlos machte ich den Abwasch fertig und ging zu den Hubbards. Meine Füße waren so schwer wie Eisklötze. Ich wollte Geld verdienen. Unbedingt. Ich hatte einen Plan. Nun, eher einen Traum als einen Plan, und das Glenmore war nur ein Teil davon. Aber zum damaligen Zeitpunkt hatte ich nicht viel Hoffnung. Wenn Pa mir schon nicht erlaubte, ins Glenmore zu gehen, das sich nur ein paar Meilen weiter oben an der Straße befand, was würde er dann erst zu New York City sagen?

Ele • men • tar
    Wenn der Frühling einen Geschmack hat, dann schmeckt er wie junge Farnsprossen. Grün, knackig und frisch. Mineralisch, wie der Boden, aus dem sie wachsen. Leuchtend wie die Sonne, die sie hervorgelockt hat. Ich sollte welche pflücken gehen, zusammen mit Weaver. Wir zogen los, um zwei Eimer zu füllen – einen für uns und einen für den Chefkoch im Eagle Bay Hotel –, aber ich war zu beschäftigt damit. sie selbst zu essen. Ich konnte einfach nicht anders. Ich sehnte mich nach etwas Frischem nach all den Monaten, in denen es nur alte Kartoffeln und eingemachte Bohnen gegeben hatte.
    Â»Schuch …«, versuchte ich zu sagen, aber mein Mund war voll. »Wir müschen … ein Worb schuch’n …«
    Â»Die Schweine von meiner Mama haben bessere Manieren. Warum schluckst du nicht erst runter?« fragte Weaver.
    Das tat ich. Aber nicht bevor ich noch mehr in mich hineingestopft, meine Lippen abgeleckt, die Augen verdreht und gegrinst hatte. Farnsprossen sind einfach zu köstlich. Pa und Abby mögen sie am liebsten in Butter geröstet mit Salz und schwarzem Pfeffer. aber ich mag sie am liebsten frisch aus dem Boden.
    Â»Such ein Wort aus, Weaver«, sagte ich schließlich. »Der Gewinner liest, der Verlierer pflückt.«
    Â»Albert ihr zwei wieder rum?« fragte Minnie, die neben uns auf einem Felsblock saß. Wie alle in ihrer Familie war sie sehr dick und mißmutig.
    Â»Wir duellieren uns, wir albern nicht herum, Mrs. Compeau«, erwiderte Weaver. »Das ist eine sehr ernste Angelegenheit, und wir würden es schätzen, wenn die Sekundanten Ruhe bewahrten.«
    Â»Dann gib mir einen Kübel. Ich bin am Verhungern.«
    Â»Nein, du ißt alles auf, was wir gepflückt haben«, antwortete Weaver.
    Sie sah mich mit Armesündermiene an. »Bitte, Mattie?« sagte sie schmeichelnd.
    Ich schüttelte den Kopf. »Dr. Wallace hat gesagt, du sollst dich bewegen, Min. Das würde dir guttun. Steh auf und pflück dir selbst welche.«
    Â»Aber Matt, ich hab mich doch schon bewegt. Ich bin den ganzen Weg vom See hier raufgelaufen. Ich bin
müde …«
    Â»Minnie, wir tragen hier ein Duell aus, wenn’s recht ist«, fuhr Weaver sie an.
    Minnie brummte und seufzte auf. Schwerfällig ließ sie sich von dem Felsbrocken herunter, kauerte sich zwischen die Farnsprossen, pflückte einen nach dem anderen ab, schob sie sich mit dem Handrücken in den Mund und schlang sie hinunter, ohne sich Zeit zu nehmen, sie wirklich zu genießen. Während ich sie beobachtete, hatte ich das merkwürdige Gefühl, sie würde mich anknurren, wenn ich ihr zu nahe käme. Eigentlich mochte sie gar keine Farnsprossen, aber das war. bevor sie schwanger wurde und alles in ihrer Reichweite in sich hineinstopfte. Einmal erzählte sie mir, sie habe an einem Kohlestück geleckt, als niemand hersah. Und an einem Nagel gesaugt.
    Weaver schlug das Buch in seiner Hand auf. Sein Blick blieb bei einem Wort hängen.
»Frevelhaft«,
sagte er und schlug das Buch zu. Wir standen Rücken an Rücken, hoben den Daumen unserer rechten Hand und streckten den Zeigefinger aus, als wäre er eine Pistole.
    Â»Bis auf den Tod, Miss Gokey«, sagte er ernst.
    Â»Bis auf den Tod, Mr. Smith.«
    Â»Minnie, du gibst das
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