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Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition)
Autoren: Cyrus Darbandi
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Punktaugen auf ihn richteten, ihre haarigen Beine über seine Haut strichen. Abraham strauchelte innerlich, spürte, wie etwas in ihm wegsackte und sich in tieferen Schichten von Dunkelheit verlor. Etwas Heftigeres, Ursprünglicheres als Schmerz verschlang ihn, so als würde er seinem eigenen Sein entrissen. Die Erschütterung kam einem Erdbeben gleich und spaltete ihn regelrecht. Er sah sich selbst davontreiben, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet; ein tonloser Abgrund.
    Er war nicht der Einzige.
    Hinter sich hörte er Kleber beim Anblick der Toten keuchen. Fluchtartig verließ sein Kollege das Zimmer.
    Abraham ging ihm nach.
    Kleber war aus der Wohnung gegangen und stand im Treppenhaus, presste sich gegen die Wand, als wolle er in ihr verschwinden. Er versuchte, die Kontrolle über sein Entsetzen zurückzugewinnen, seine Hände krampften heftig und sein Blick war glasig. Er schaute kurz auf, als Abraham ihn an der Schulter berührte.
    »Ich bin okay«, sagte er viel zu hastig, um ehrlich zu sein.
    »Der Ausdruck in deinem Gesicht erzählt aber etwas ganz anderes.«
    »Mein Gott, das tut mir leid, Boss … als sähe ich so etwas zum ersten Mal. Vielleicht bin ich zu früh zurückgekommen … vielleicht hättest du mich da draußen einfach versauern lassen sollen …«
    »Du willst dich doch hoffentlich nicht dafür entschuldigen, betroffen zu sein«, sagte Abraham.
    Kleber schüttelte den Kopf, atmete tief durch.
    »Vielleicht habe ich nur vergessen, zu was einige von uns fähig sind. Hab’s vielleicht vergessen wollen.«
    »Dann bist du in der falschen Abteilung, denn hier wirst du immer wieder daran erinnert.«
    »Ja.« Ein verstohlenes, trauriges Lächeln huschte über KlebersZüge. »Du wirkst aber auch nicht gerade wie das blühende Leben«, sagte er.
    »Siehst du, da geht’s uns wie den Ermordeten, also scheinen wir beide ja bestens hierher zu passen. Und jetzt lass uns zurückgehen.«
    Bei der ersten Vernehmung versuchte das mörderische Ehepaar Abraham davon zu überzeugen, dass Nina im Zuge der Aussprache aggressiv geworden sei und ihren Vater mit eben dem Küchenmesser, mit dem sie dann getötet wurde, angegriffen habe. Es kam zum Kampf, bei dem Nina sich das Messer quasi selbst in den Leib rammte.
    (»Ja«, sagte Abraham zu Kleber, »und das ungefähr zwei Dutzend Mal. Und danach hat sie sich noch verstümmelt.«)
    Abraham hätte am liebsten ihre Fratzen in das Blut ihres Kindes gedrückt. Für ihn war alles klar – er sah Nina, die sich zur Wehr setzte, während ihre Mutter sie festhielt und ihr Vater mit sadistischer Lust auf sie einstach, bis sie so viel Blut verlor, dass auch ihr Flehen mit ihr starb.
    »Was hatten Sie denn mit dem Kopf vor?«, fragte Kleber, doch die Mörder schwiegen. Sie saßen am Küchentisch, der Mann noch mit dem Blut seines Kindes am Körper wie ein archaisches Wesen aus einem antiken Drama, die Frau mit pervers zusammengefalteten Händen – die Fingerspitzen nach oben gen Himmel gerichtet, was eindeutig in die falsche Richtung wies, dachte Abraham.
    »Zerstückeln und vergraben«, gab Kleber selbst die Antwort, weil ihn das Schweigen ankotzte. Ein halbes Dutzend Abfallsäcke lagen dafür nämlich auch schon bereit.
    »Ob ich lebenslang bekomme?«, fragte der Mörder, es war erst sein zweiter Satz, seit ihm die Streifenbeamten Handschellen angelegt hatten. Davor hatte er sich bei Abraham darüber beschwert, dass die Fesseln ihm in die Haut schnitten. Außerdem hatte er sich an der Hand verletzt, als er mit dem Messerbeim Versuch, Ninas Halswirbelsäule zu zerteilen, abgerutscht war. Bei dieser Frage jedenfalls blinzelte er unaufhörlich, so als hätte er den zukünftigen Staub des geschändeten Körpers seines toten Kindes im Auge und wollte ihn loswerden. Der Mann atmete schwer und war schweißgebadet, das Töten hatte sich als unerwartet anstrengend erwiesen, und nachdem er sein Kind niedergemetzelt hatte, wartete immer noch ihre Entsorgung auf ihn; ein Haufen Probleme für einen banalen Dienstagnachmittag.
    Er hatte mit unzureichendem Werkzeug hantiert, das Fleischermesser reichte zwar aus, um Ninas Körper wie einen Sack voller Blut aufzuschlitzen, versagte aber bei Knochen, Knorpeln und Sehnen.
    »Tja, wo ist die Säge im Haus, wenn man sie mal braucht«, höhnte Kleber. Er nahm kein Blatt vor den Mund – warum auch, schließlich waren sie alle ja eine exklusive, eingeweihte Gesellschaft – das Opfer, seine Mörder und die Mordermittler – und gerade so nett
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