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Das Leuchten des Himmels

Das Leuchten des Himmels

Titel: Das Leuchten des Himmels
Autoren: Roberts Nora
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Stern.«
    »Stern?«
    »Jesse wollte, dass Sie einen Stern bekommen. Los, Charlene. Wir lassen den Mann jetzt allein.«
    »Sie sagen unten Bescheid, wenn es Ihnen auch nur am Geringsten fehlt.« Charlene bedachte ihn mit einem einladenden Lächeln. » Egal was.«
    Hinter Charlenes Rücken verdrehte Hopp ihre Augen gen Decke. Um die Sache zu beenden, packte sie mit fester Hand Charlenes Arm und zog sie zur Tür. Es folgten Absatzgeklapper auf Holz, ein weibliches Quieksen, dann die Tür, die hinter ihnen zuschlug.
    Dazwischen verstand Nate Charlenes gedämpftes und beleidigtes: »Was ist denn mit Ihnen los, Hopp? Ich war doch nur freundlich.«
    »Es gibt eine Wirtinnenfreundlichkeit und eine Bordellfreundlichkeit. Irgendwann werden Sie womöglich den Unterschied herausfinden.«
    Er wartete, bis er sich sicher sein konnte, dass sie gegangen waren, dann verriegelte er die Tür. Er zog seinen Parka aus, ließ ihn zu Boden fallen, streifte seine Mütze ab und ließ sie fallen. Wickelte seinen Schal ab und ließ diesen fallen. Öffnete den Reißverschluss seiner gefütterten Weste und warf auch diese auf den Haufen.
    In Hemd, Hose, Thermounterwäsche und Stiefeln setzte er sich an den Tisch, nahm die Suppe und einen Löffel und trug beides vor die dunklen Fenster.
    Halb vier Uhr nachmittags, so zeigte es die Uhr neben dem Bett – und dunkel wie um Mitternacht. Die Straßenlampen brannten, wie ihm beim Löffeln seiner Suppe auffiel, und er konnte die Umrisse der Gebäude erkennen. Weihnachtsdekorationen in Form von bunten Lichtern, auf Kamine kletternden Santas und Rentieren aus Pappe.
    Aber keine Menschen, kein Leben, keine Bewegung.
    Er aß mechanisch, war zu müde und zu hungrig, um auf den Geschmack zu achten.
    Vor dem Fenster war nichts weiter als eine Filmkulisse, überlegte er. Die Gebäude hätten auch nur aus Fassaden bestehen können, die Hand voll Leute, denen er unten begegnet war, könnten genauso gut Schauspieler gewesen sein.
    Vielleicht war das alles ja eine ausgeklügelte Halluzination, entstanden aus Depression, Trauer, Wut – und welche hässliche Mischung sonst noch dazu beigetragen hatte, ihn ins Leere trudeln zu lassen.
    Bestimmt wachte er bei sich zu Hause in Baltimore auf und würde alle Kraft zusammennehmen, den nächsten Tag einigermaßen zu überstehen.
    Er holte sich das Sandwich, aß es ebenfalls im Stehen am Fenster und sah hinaus in die leere schwarz-weiße Welt mit ihrer komischen Festbeleuchtung.

    Vielleicht sollte er dort hinausgehen in diese leere Welt. Dann würde er ein Darsteller dieser seltsamen Illusion. Am Ende würde er schwarz ausgeblendet, wie in der letzten Spule eines alten Films. Und dann wäre es vorbei.
    Während er dastand, halb überlegend, dass es vorbei sein könnte, und halb wünschend, dem wäre so, trat eine Gestalt ins Bild. Sie trug ein Rot – leuchtend und kräftig -, das aus dieser farblosen Szenerie heraussprang und Bewegung hineinbrachte.
    Diese Bewegungen waren gezielt und forsch. Leben, das eine Mission verfolgte, zweckgerichtete Bewegung. Rasche, feste Schritte über das Weiß, die den Schatten von Fußabdrücken im Schnee hinterließen.
    Ich bin hier. Ich lebe, und ich bin hier.
    Er hätte nicht sagen können, ob es sich dabei um einen Mann oder um eine Frau oder um ein Kind handelte, aber dieser Farbfetzen und die Zuversicht des Schritts hatten was, das seine Aufmerksamkeit und sein Interesse weckten.
    Als würde sie die Beobachtung spüren, blieb die Gestalt stehen und blickte hoch.
    Wieder hatte Nate den Eindruck von Weiß und Schwarz. Weißes Gesicht, schwarzes Haar. Aber selbst das verschwamm wegen der Dunkelheit und der Entfernung.
    Ein langer Augenblick der Stille und des Schweigens. Dann fing die Gestalt wieder zu laufen an, schritt auf The Lodge zu und verschwand aus dem Sichtfeld.
    Nate zog die Vorhänge zu und trat vom Fenster zurück. Nach kurzem innerem Kampf schleifte er seine Koffer vom Bett und ließ sie unausgepackt auf den Boden plumpsen. Er zog sich aus, ohne auf die Kälte im Zimmer zu achten, die sich auf seine nackte Haut legte, und kroch unter den Deckenberg wie ein Bär in seine Winterhöhle.
    Dort lag er dann, ein Mann von zweiunddreißig mit einem dichten Gewühl kastanienbraunen Haars, das sich um ein langes, schmales, vor Erschöpfung und Verzweiflung schlaff gewordenes Gesicht mit verschleierten rauchgrauen Augen wellte. Unter seinen Bartstoppeln war seine Haut blass vor Müdigkeit. Obwohl das Essen das Brennen in seinem Magen
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