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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder
Autoren: Christa Canetta
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Eltern dachte, die nun tot und Hand in Hand im Raum der Stille lagen, liefen ihr wieder die Tränen über die Wangen. Die Hunde, als hätten sie ein Gespür dafür, kamen und liefen um sie herum und stupsten sie zärtlich an den Händen, rieben ihre Köpfe an ihren Beinen und winselten schwach vor sich hin.
    „Ja, ja“, tröstete Lena sie leise, „ich weiß, ihr habt auch Hunger. Die Alpakas hatten ihr frisches Gras auf der Weide, aber das konntet ihr nicht fressen. Ihr bekommt gleich euer Futter, beruhigen wir erst mal die Herde da drinnen im Stall.“
    Von den Hunden unmissverständlich an ihre Aufgaben erinnert, ging Lena hinüber zum offenen Laufstall, verteilte im Licht der Scheinwerfer Heu, wie sie es bei der Mutter gesehen hatte, und füllte mit einem Schlauch die Wassertröge, damit die Tiere ihren Durst löschen konnten und sich beruhigten.
    Dann ging sie hinauf zu dem großen Cottage, öffnete mit zitternden Händen und Angst vor der Stille im Haus die Tür, machte Licht an und löschte die Scheinwerfer des Mini Coopers.
    Im Haus war es kalt und dunkel. Lena schaltete im Wohnteil das Licht an und ließ die Praxisräume im Dunklen. In der Speisekammer fand sie Dosen mit Hundefutter, das sie in die Näpfe verteilte und den Hunden vor die Tür stellte, dann füllte sie Wasser in die anderen beiden Näpfe, damit die Border Collies nicht bei den Alpakas ihren Durst löschten, sondern die Herde in Ruhe ließen. Und dann setzte sie sich an den großen Tisch, legte den Kopf auf die auf der Tischplatte verschränkten Arme und ließ den Tränen freien Lauf.
    Sie dachte an die geliebten Eltern, denen sie mit ihrem Wunsch, als Ärztin in der Großstadt zu leben und zu arbeiten, eine große Enttäuschung bereitet hatte, die dann aber alles getan hatten, damit ihre Pläne in Erfüllung gingen. Sie dachte an ihre Kindheit, als Paso Fernando noch ein kleines Landgut war und „Wacholder-Land“ hieß, weil die Hügel mit den struppigen Sträuchern übersät waren.
    Und dann kam die Reise nach Chile, und alles änderte sich, als ihre Mutter sich in die Alpakas verliebte. Und nun ändert sich auch mein Leben.
    Lena trocknete die Tränen und stand auf. Sie hatte Hunger und suchte in der Küche nach Brot und Butter. Dabei fiel ihr der Terminkalender des Vaters in die Hände. Sie blätterte in den Seiten und fand neben den Notizen für die fälligen Krankenbesuche auch die Eintragung des letzten Tages. „Fahrt nach Fasnacloich“, stand da. „Auktion besuchen und Zehenschneider für nächste Woche bestellen.“
    Ach ja, erinnerte sich Lena, einmal im Herbst und einmal im Frühjahr muss ein Mann kommen und den Alpakas die Zehen kürzen. Sie haben ja keine Hufe wie Pferde, sondern weiche Schwielensohlen wie Kamele, die den Weiden gut tun, weil sie die Grasnarbe nicht zerstören.
    Der kommt also in der nächsten Woche, überlegte sie und schrieb das Datum in den Kalender. Mein Gott, ich fange schon an, mich an den Rhythmus dieser Landwirtschaft zu gewöhnen.
    Sie löschte die Lampen und ging in die obere Etage, wo sich die Schlafzimmer und das Bad befanden. Müde machte sie Licht in ihrem Zimmer, das noch immer genauso aussah wie in ihrer Kindheit und das ihre Mutter absichtlich nicht verändert hatte, damit „du immer weißt, hier wartet dein Zuhause auf dich“, wie sie bei jedem Besuch betont hatte. Ach Mutter! Die Tränen kamen zurück, und Lena kroch schnell ins Bett und zog sich die Decke über den Kopf.
    Die helle Sonne und das Bellen der Hunde weckten sie am nächsten Morgen. Lena stand auf, ging unter die Dusche und zog sich an. Die Tiere müssen als Erstes raus, überlegte sie, dann müssen die Hunde gefüttert werden, und dann brauche ich wenigstens einen starken Kaffee, bevor ich nach Barcaldine fahre. Sie ging hinunter und schaute in die Küche mit dem großen Herd. Um Himmels willen, den kann ich doch nicht für eine Tasse Kaffee anmachen, besser, ich frühstücke in der Stadt. Sie ging nach draußen, öffnete die Gatter so, dass ein Durchgang zur großen Weide entstand, und ließ die Alpakas aus dem Laufstall. Fröhlich und ausgelassen galoppierten die Tiere in die Freiheit. Die Hunde tobten hinterher. Als Lena das Weidetor verschloss, liefen sie mit ihr zurück zum Cottage, wo sie ihr Futter erwarteten. „Komm, Lilly, na los, Bully, wer ist als Erster beim Haus?“ Sie klatschte in die Hände, und zum ersten Mal seit vielen Stunden lachte sie, als sich die Hunde beim Wettlauf fast überschlugen. Sie füllte
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