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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff
Autoren: Alexander Kent
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vorgab, mit ihr befreundet zu sein. Geschickt hatte sie Herricks Empörung über die Verbindung zwischen Catherine und Bolitho genutzt, hatte Catherine schließlich in dem fieberverseuchten Haus mit Herricks sterbender Frau alleingelassen. Nun würde auch sein alter Freund Herrick sterben oder in Unehre fallen, wenn das Kriegsgericht gegen ihn entschied.
    »Denk’ doch wenigstens
einmal
im Leben auch an andere, nicht nur an dich selbst«, sagte er.
    Als er zur Tür ging, fiel ihm auf, daß er Belinda kein einziges Mal mit Namen angeredet hatte.
    Neugierig blickte jemand aus dem Speisezimmer.
    »Deine Freunde warten schon auf dich.«
    Sie folgte ihm nur bis zur Treppe. »Einmal wird’s mit deinem Glück vorbei sein, Richard! Ich wünschte nur, ich könnte das miterleben!«
    Als Bolitho in die Halle trat, sprang Allday auf.
    »Zurück nach Chelsea, Allday. Matthew soll einen Brief von mir zu Sir Piers Blachford am College of Surgeons bringen. Er ist sicher der beste Arzt.«
    Vor der Kutsche hielt er inne, musterte das Feuer und die Männer drumherum. »Hier draußen ist die Luft viel sauberer!«
    Allday stieg schweigend hinter ihm ein. Neuer Ärger kam auf sie zu, er kannte die Anzeichen. Belinda würde alles tun, um Bolitho zurückzuholen. Oder ihn tot zu sehen. Er lächelte böse und dachte: Dazu müßte sie erst mich umbringen, bei Gott!
    Admiral Lord Godschale füllte zwei Gläser mit Brandy und beobachtete Bolitho, der am Fenster stand und auf die Straße schaute. Ärgerlich fragte er sich, warum er diesen Mann immer wieder beneidete, der nicht älter zu werden schien. Abgesehen von der weißen Locke über der tiefen Stirnwunde glänzte sein Haar dunkel wie eh und je, und seine Figur blieb schlank wie in jungen Jahren. Im Gegensatz zu ihm selbst. Als junge Fregattenkapitäne hatten sie zusammen gegen die Amerikaner gekämpft, waren sogar am selben Tag zum Vollkapitän befördert worden. Doch jetzt war Godschales Gesicht so aufgedunsen wie sein Körper und glänzte rot vom üppigen Leben.
    Hier von der Admiralität aus reichte seine Macht bis in den fernsten Winkel der Welt, bis zum kleinsten Schiff in seiner Britannischen Majestät Kriegsmarine. Er lächelte etwas verkniffen. Dieser König kannte vermutlich keinen einzigen seiner Offiziere mit Namen, doch das wurde natürlich öffentlich nie zugegeben.
    »Sie sehen müde aus, Sir Richard.« Er merkte, wie Bolitho seine Gedanken in das Zimmer zurückholte.
    »Ein bißchen.« Bolitho nahm das angebotene Glas, das der Admiral über dem Kaminfeuer etwas angewärmt hatte. Zwar war es noch nicht Mittag, doch er konnte jetzt einen Schluck Brandy brauchen.
    »Ich hörte, Sie waren gestern aus. Ich hoffe immer noch …«
    Bolithos graue Augen blitzten. »Darf ich fragen, wer Ihnen gesagt hat, daß ich im Haus meiner Frau war?«
    Godschale runzelte die Stirn. »Ich hoffe immer noch, daß Sie zu ihr zurückkehren.« Aber sein Selbstbewußtsein schmolz unter Bolithos verärgertem Blick. »Nun ja, es war Ihre Schwester, Mrs. Vincent. Sie schrieb mir kürzlich wegen ihres Sohnes Miles, den Sie entlassen haben, als er Midshipman auf der
Black Prince
war. Das war nicht leicht für den Jungen, nachdem er gerade seinen Vater verloren hatte.«
    Bolitho trank Brandy und wartete, bis er ihn ruhiger machte. »Genau genommen, Mylord, war es sogar eine Vergünstigung.«
    Godschales Augenbrauen hoben sich zweifelnd.
    »Der Junge war völlig ungeeignet«, fuhr Bolitho fort. »Hätte ich ihn nicht entlassen, hätte ich meinem Flaggkapitän befehlen müssen, ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen – wegen Feigheit vor dem Feind. Meine Schwester setzt skandalöse Gerüchte in die Welt, übersieht aber die wahren Fakten.«
    Godschale suchte nach Worten, was selten vorkam. Neid, das war es. Er besaß viel Macht und war reich. Im Gegensatz zu seinen Kommandanten würde
ihn
nie eine Kugel töten oder verstümmeln. Er hatte eine fade Frau, fand aber Trost in den Armen anderer. Wieder dachte er an die schöne Lady Somervell. Weiß Gott, um sie beneidete er diesen unmöglichen Mann.
    Grimmig hakte er nach: »Aber Sie waren bei Lady Bolitho?«
    Bolitho zuckte mit den Schultern. »Meiner Tochter geht es nicht gut.« Warum sage ich ihm das? fragte er sich. Es interessiert ihn doch gar nicht.
    Er kannte Godschale und seinen Ruf lange genug. Er fragte meistens, ohne auf die Antwort zu hören, wie bei der Frage nach Midshipman Vincent. Aber wehe dem, der seine Ruhe und Bequemlichkeit hier in der
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