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Das letzte Riff

Das letzte Riff

Titel: Das letzte Riff
Autoren: Alexander Kent
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er. Bolitho hatte wirklich genug andere Probleme, aber er hatte Belinda die Zähne gezeigt und auch dieser anderen Dame mit den nackten Schultern und dem Blick einer Hafenhure.
    Er dachte an ihre bevorstehende Reise nach Kapstadt: ein ganz neues Erlebnis. Mit Lady Catherine, Kapitän Keen und dem jungen Jenour an Bord würde es mehr eine Vergnügungsreise werden als ein Einsatz im Auftrag des Königs.
    Lady Catherine war so ganz anders als die Dämchen, die er in diesem Haus gesehen hatte. Groß und schön, eine richtige Seemannsbraut. Sie konnte das Herz eines Mannes in Wasser verwandeln oder es hell entflammen – nur mit ihren Blicken. Und sie kümmerte sich um Bolithos Besitz in Falmouth. Inspektor Ferguson, Alldays Freund, hatte erzählt, daß sie wahre Wunder bewirkte. Mit ihren Vorschlägen und ihrem Rat hatte sie dafür gesorgt, daß wieder Geld in die Kasse des Guts kam. Bolithos Vater hatte seinerzeit viel Land verkaufen müssen, um für die Spielschulden seines zweiten Sohnes Hugh aufzukommen.
    Jetzt waren beide tot. Außer Hughs unehelichem Sohn Adam, dem Sir Richard seinen Namen gegeben hatte, lebte kein Bolitho mehr. Allday beunruhigte der Gedanke, daß eines Tags niemand mehr von See in das leere graue Haus zurückkehren würde. Bolitho dachte manchmal genauso – und beide wußten es. Eine Kugel, ein Splitter konnte sie beide eines Tages trennen. Wie Herr und Hund fürchtete jeder, den anderen allein zurücklassen zu müssen.
    Oben im Speisezimmer wurden die Stimmen wieder lauter. Bolitho blieb vor einer reich vergoldeten Tür stehen. Kühl musterte ihn Belinda. »Ich dachte, als Elizabeths Vater solltest du Bescheid wissen. Wenn du auf See gewesen wärst, hätte ich es allein entschieden. Aber ich wußte, du warst hier mit – mit
ihr
zusammen.«
    »Richtig.« Er sah sie genauso kühl an. »Hätte meine Catherine sich bei der armen Dulcie Herrick angesteckt, wäre das auch mein Ende gewesen.« Das saß. »Doch vorher hätte ich dich erledigt!«
    Er stieß die Tür auf. Drinnen erhob sich hastig eine Frau in einem einfachen schwarzen Kleid, sicherlich die Kinderfrau. Er nickte ihr zu und sah das Kind auf dem Bett liegen, vollständig angezogen, leicht bedeckt mit einem Schal. »Sie schläft jetzt«, flüsterte die Kinderfrau und blickte Belinda an, nicht ihn.
    Elizabeth war sechs Jahre alt und zur Welt gekommen, als Bolitho mit der
Achates,
einem Linienschiff von 64 Kanonen, in San Felipe gelegen hatte. Damals hatte Allday in der Schlacht von einem Säbelhieb seine schwere Brustwunde erhalten, die ihn fast getötet hätte. Allday klagte nie über sie, aber manchmal preßte sie den Atem aus seiner Lunge, dann stand er bewegungslos mit rasenden Schmerzen da.
    Belinda sagte: »Sie ist gestürzt.«
    Schon beim letzten Treffen war Bolitho aufgefallen, daß seine Tochter nichts Kindliches an sich hatte. Sie war eine kleine Erwachsene und trug all die aufwendigen Kleider, die sie später als Lady auch tragen würde.
    Er dachte bei ihrem Anblick oft an seine eigene Kindheit in Falmouth, wo er mit seinem Bruder Hugh, seinen Schwestern und allen anderen Kindern zwischen den Booten auf dem Strand gespielt hatte – ohne die Grenzen, die eine Kinderfrau setzte oder eine ferne Mutter, die ihr Kind vermutlich nur einmal am Tag sah.
    »Was war das für ein Sturz?« fragte er knapp.
    Belinda zuckte mit den Schultern. »Sie fiel von ihrem Pony. Ihr Lehrer hatte sie im Blick, aber sie wollte angeben, denke ich. Sie hat sich den Rücken verknackst.«
    Bolitho merkte plötzlich, daß seine Tochter ihn mit offenen Augen anstarrte. Als er sich über sie beugte, um ihre Hand zu streicheln, versuchte sie sich wegzudrehen, die Kinderfrau an sich zu ziehen.
    Leise sagte Belinda: »Für sie bist du ein Fremder.«
    »Hier sind wir alle Fremde«, antwortete Bolitho. Er hatte die Schmerzen im Gesicht des Kindes gesehen. »Hast du einen Arzt kommen lassen, einen guten?«
    »Ja.« Das klang wie: ›Ja, natürlich. Was fragst du so dumm?‹ »Wie lange nach dem Unfall?« Die Kinderfrau blickte von einem zum anderen wie ein unerfahrener Sekundant beim Duell.
    »Ich war zu der Zeit nicht da. Wie konnte ich also etwas tun?«
    »Ich verstehe.«
    »Wirklich?« Belinda verbarg ihren Ärger nicht länger. »Dir ist selbst der Skandal mit jener Frau egal, wie kannst du dann dies hier verstehen?«
    »Ich werde dafür sorgen, daß ein erfahrener Arzt Elizabeth untersucht.«
    Belinda hatte Dulcie Herrick allein sterben lassen, obwohl sie
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